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Viele Kantone haben Gesetze gegen häusliche Gewalt erlassen.

Auf Bundesebene dient Artikel 28b ZGB zum Schutz von Opfern.

Dieser erlaubt dem Zivilrichter, in Fällen von Gewalt, Bedrohung, Stalking oder Belästigung verschiedene Massnahmen anzuordnen; insbesondere:

  • dem Täter zu verbieten, sich dem Opfer zu nähern oder einen bestimmten Bereich um die Wohnung des Opfers herum zu betreten.
  • das Verbot für den Täter, bestimmte Orte, insbesondere Strassen, Plätze oder Stadtviertel zu frequentieren
  • das Verbot für den Täter, mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen, insbesondere telefonisch, schriftlich oder elektronisch, oder ihm sonstige Störungen zu verursachen.

Ein Antrag auf Schutz muss den Missbrauch, den man erleidet, glaubhaft machen. Der Missbrauch kann nicht nur durch ein Beweisstück (z. B. ein ärztliches Attest), sondern auch durch ein Bündel von Indizien nachgewiesen werden (BGE 142 I 152).

In seinem Urteil 5A_377/2009 stellte das Bundesgericht fest:

  • Unter Gewalt im Sinne von Artikel 28b des Zivilgesetzbuches versteht man den direkten Angriff auf die körperliche, geistige, sexuelle oder soziale Integrität einer Person. Dieser Schaden muss von einer gewissen Intensität sein, da sozial unkorrektes Verhalten keinen Angriff auf die Persönlichkeit darstellt.
  • Drohungen beziehen sich auf Situationen, in denen unrechtmässige Angriffe auf die Persönlichkeit zu erwarten sind. Auch in diesem Fall muss die Bedrohung ernst sein und das Opfer um seine körperliche, geistige, sexuelle oder soziale Integrität fürchten lassen.
  • Schliesslich bezieht sich Belästigung auf die zwanghafte Verfolgung und Belästigung einer Person über einen langen Zeitraum (“Stalking”), unabhängig davon, ob eine Beziehung zwischen Täter und Opfer besteht. Typische Merkmale von Stalking sind Spionage, die Suche nach physischer Nähe und alles, was damit zusammenhängt, nämlich die Verfolgung, das Stalking sowie das Stören und Bedrohen einer Person. Diese Ereignisse müssen bei der Person grosse Angst auslösen und müssen wiederholt auftreten (5A_112/2008; 2005 S.6450; BGE 129 IV 262).

Wenn ein Gericht Maßnahmen zum Schutz des Opfers ergreift, muss es das Grundprinzip der Verhältnismäßigkeit beachten. Es muss also die Maßnahme ergreifen, die für das Opfer ausreichend wirksam und für den Täter am wenigsten einschneidend ist. (5A_429/2017).

So entschied das Bundesgericht, dass das wiederholte Eindringen in die Wohnung des Opfers einen unrechtmässigen Angriff auf die Persönlichkeit des Opfers darstellt, der die Verhängung eines Einkreisungsverbots rechtfertigt (5A_526/2009).

Ein Kontaktverbot kann nicht nur in Bezug auf das Opfer angeordnet werden, sondern das Gericht kann auch andere Massnahmen ergreifen, um Belästigungen zu verbieten, die “auf andere Weise” ausgeübt werden. Dazu gehört zum Beispiel ein Verbot des Kontakts mit dem familiären oder beruflichen Umfeld des Opfers (5A_429/2017).

Dieses Urteil wurde durch ein weiteres Urteil vom 13. April 2018 bestätigt, in dem es heisst, dass eine zeitliche Begrenzung der Schutzmassnahme grundsätzlich nicht sinnvoll sei und die Massnahme daher ohne zeitliche Begrenzung ausgesprochen werden müsse (BGE 144 III 257).

Das Verfahren ist schnell. Der Richter kann “superprovisorische” Massnahmen ohne Anhörung der Gegenpartei und dringende vorsorgliche Massnahmen aussprechen.

Zögern Sie nicht, die Sozialdienste und einen Anwalt zu kontaktieren, um schnell zu handeln, oder sogar eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Ihres Kantons sowie bei der nächstgelegenen Opferhilfestelle einzureichen.

Zur Vertiefung dieser Frage siehe den Ende 2022 veröffentlichten (kostenpflichtigen) Artikel von Rechtsanwalt Laurent Grobéty und Rechtsanwältin Marie Frei: “Der Schutz der Persönlichkeit bei Gewalt, Drohungen oder Belästigung – Verfahrensrechtliche Aspekte”.


Dauer der Abschiebungsmaßnahme

Art. 28b ZGB sieht keine zeitliche Begrenzung von Entfernungsmaßnahmen vor. Es obliegt dem Richter, im Rahmen der sorgfältigen Ausübung seines Ermessens, die Dauer zu begrenzen oder nicht (5A_77/2022, Erw. 6.4; BGE 144 III 257 , Erw. 4.3.

Die Rechtsprechung betont auch, dass eine zeitliche Begrenzung in vielen Fällen nicht angemessen ist, insbesondere bei Stalking, da ein Antrag auf Verlängerung zu einer erneuten Konfrontation zwischen Täter und Opfer führen würde, was gerade vermieden werden soll, um die Motivation des Stalkers nicht zu reaktivieren (5A_77/2022, Erw. 6.4; BGE 144 III 257, Erw. 4.3.3).


Elektronische Fussfessel

Artikel 28 c des Zivilgesetzbuches ermöglicht es dem Opfer, zusätzlich zu den Massnahmen nach Artikel 28 b ZGB zu beantragen. Zum Beispiel, dass der Täter eine elektronische Fussfessel tragen muss, die es ermöglicht, den Täter zu lokalisieren und insbesondere zu überprüfen, ob er gegen sein Rayonverbot verstösst. Das Wichtigste wurde in dieser Pressemitteilung zusammengefasst (siehe hier).

Artikel 28 c des Zivilgesetzbuches ist erst seit dem 1. Januar 2022 in Kraft und die bis jetzigen Erfahrung sind noch nicht sehr überzeugend. In der Westschweiz gab es nur einen einzigen Anwendungsfall zwischen Januar und April 2022.

Das Anbringen einer elektronischen Fussfessel scheint jedoch eine gute Massnahme zu sein. Es gibt jedoch zwei schwache Punkte: Zum einen müssen die Massnahmen vom Opfer beantragt werden, da die Behörden nicht befugt sind, diese Massnahme von Amtes wegen zu verhängen.

Zum anderen ist die digitale Überwachung insofern passiv und nicht aktiv, als die GPS-Daten nur aufgezeichnet und nicht automatisch übertragen werden. Die Daten können also nur im Nachhinein, nach der Analyse der gespeicherten Daten, überprüft und kontrolliert werden.

Dies ist wenig beruhigend, wenn man bedenkt, dass in der Schweiz und im Jahr 2020 21 Frauen und 7 Männer an den Folgen von häuslicher Gewalt gestorben sind.

Artikel aktualisiert am 05/10/2023