Auskunftspflicht
Finanzielle Informationen
Prinzip
Jeder Ehegatte hat das Recht, über die finanziellen Verhältnisse des anderen in der Schweiz und im Ausland genau informiert zu werden, in Bezug auf das Einkommen als auch auf das Vermögen und die Schulden. Dies ist der Grundsatz von Artikel 170 ZGB.
Das Auskunftsersuchen kann eigenständig und unabhängig gestellt werden und muss daher nicht unbedingt im Zusammenhang mit einer Scheidung oder Trennung erfolgen (5A_939/2022, Erw. 3.2; 5A_9/2015, Erw. 3.1)
Das gleiche Prinzip gilt für Partner einer eingetragenen Partnerschaft (Art. 16 PartG).
Dieses Prinzip kann insbesondere dazu dienen, ausreichende und genaue finanzielle Informationen zu erhalten, um die Höhe der Alimente zu bestimmen (BGE 142 III 116) oder um die Aufteilung des Güterstandes zu ermöglichen (BGE 90 II 467).
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Es dürfen nur Auskünfte und Unterlagen verlangt werden, die nützlich und notwendig sind, um die Situation zu beurteilen und die Ausübung eines Rechts zu ermöglichen (BGE 118 III 27; Art. 170 Abs. 2 ZGB).
Achtung: Wenn die vorzulegenden Informationen geschwärzt werden sollen, muss beantragt werden, dass die Informationen geschwärzt werden dürfen (und es muss angegeben werden, in welchem Umfang und warum), bevor die Anordnung des Gerichts, die Dokumente vorzulegen, erlassen wird (5A_906/2023).
Dieses Recht besteht, solange die Ehegatten nicht rechtskräftig geschieden sind (d. h. auch im Rahmen einer Trennung, die Eheschutzmassnahmen erfordert) oder solange die Partnerschaft nicht endgültig aufgelöst ist.
Dieses Recht lebt bei einem Antrag auf Abänderung eines Urteils nicht wieder auf, aber ein ähnliches Ergebnis kann über den Verfahrensweg der «vorsorglichen Beweisführung» nach Artikel 158 ZPO erreicht werden (5A_295/2016).
Das Auskunftsrecht muss in angemessener Weise und nicht aus reiner Schikane ausgeübt werden (man wird nicht alle zwei Wochen Kontoauszüge oder ein Vermögensverzeichnis verlangen können…!).
International: Durch ein internationales Rechtshilfeverfahren kann ein Schweizer Gericht im Ausland um Informationen ersuchen, wie ein ausländisches Gericht in der Schweiz um Informationen ersuchen kann (BGE 142 III 116; 5A_566/2016).
Das Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen ist für die Länder, die es ratifiziert haben, anwendbar. Andernfalls wird die Zivilrechtshilfe auf der Grundlage von Artikel 1 Abs. 2 IPRG geleistet oder verweigert.
Folgen einer Verweigerung der Auskunftserteilung («streitiges» Verfahren)
Weigert sich die Gegenpartei, die korrekten Informationen zu erteilen, kann ein Antrag beim Gericht gestellt werden, um die gewünschten Informationen zu erhalten. Zum Beispiel die Einholung von Kontoauszügen, entweder vom widerspenstigen Ehegatten/Partner oder direkt von Dritten wie der Bank, einschliesslich ausländischer Bankkonten (5P.423/2006).
Ein ausländisches Gericht, das über eine Ehescheidung im Ausland entscheidet, kann auch die Schweizer Gerichte um Hilfe bitten, um Informationen in der Schweiz zu erhalten (einschliesslich Informationen über ein Bankkonto in der Schweiz (5C.157/2003).
In einem streitigen Verfahren müssen die Parteien ausreichende und notwendige Informationen zur Verfügung stellen, um ihre Ansprüche geltend zu machen, wenn sie die Informationen nicht auf anderem Wege erhalten können (BGE 117 II 218).
Die Verweigerung der Mitwirkung oder der Auskunftserteilung (oder die Erteilung von Auskünften an nur eine Partei) kann erhebliche Folgen haben, da das Gericht zu dem Schluss kommen kann, dass die Behauptungen und Erklärungen eines Ehegatten, der seiner Auskunftspflicht nicht (oder nur teilweise) nachgekommen ist, teilweise oder ganz falsch sind und dass folglich die Aussagen des anderen Ehegatten aufrechterhalten werden müssen (5A_79/2023 E. 3.3 und 3.4; 5A_622/2020; 5A_155/2015).
Zuständig ist das Gericht des Wohnsitzes einer der Parteien.
Ein Auskunftsersuchen führt nicht zwangsläufig zur Sperrung von Vermögenswerten (5A_503/2023 behandelt ein Auskunftsersuchen, das mit einem (abgelehnten) Antrag auf Sperrung von Vermögenswerten, hier von Gemeinschaftskonten, gekoppelt ist).
Beschränkungen des Rechts auf Auskunftserteilung
- Ein Auskunftsersuchen wird vom Gericht abgelehnt, wenn der antragstellende Ehegatte kein besonderes Interesse an der Auskunft hat: z. B. wenn der andere Ehegatte bereits zugegeben hat, dass er in der Lage und willens ist, die vor der Trennung bestehende Lebensführung beizubehalten (5A_819/2017).
- Im Falle einer sehr guten finanziellen Situation, in der zudem eine Gütertrennung vereinbart wurde, ist der auskunftspflichtige Ehegatte nicht verpflichtet, sein Einkommen oder sein Vermögen offenzulegen, wenn er bereits zugegeben hat, dass er seiner zukünftigen Ex-Frau die Aufrechterhaltung des Lebensstandards, den sie vor der Trennung geführt hat, gewährleisten will (in diesem Fall hat die Ehefrau kein Interesse an zusätzlichen Informationen, da sie bereits sicher ist, ihren Lebensstandard aufrechterhalten zu können und keine weiteren Ansprüche haben kann. Das Auskunftsbegehren ist daher unbegründet (5A_918/2014)).
Bankgeheimnis
Banken sowie Vermögensverwalter, Treuhänder oder Bücherexperten sind verpflichtet, die vom Gericht geforderten Informationen zu liefern (5P.423/2006). Das Bankgeheimnis kann in solchen Fällen nicht geltend gemacht werden (5A_566/2016).
Denn das Recht des Ehegatten, Informationen über die finanzielle Situation des anderen zu erhalten, hat Vorrang vor dem Bankgeheimnis, und es spielt keine Rolle, ob der andere Ehegatte nicht Kontoinhaber, sondern nur wirtschaftlich berechtigt ist (BGE 142 III 116 E. 3.1.3). Die Bank darf die Zusammenarbeit nur verweigern, wenn sie glaubhaft macht, dass das Interesse an der Geheimhaltung das Interesse an der Wahrheitsfindung im Sinne von Artikel 166 Abs. 2 ZPO überwiegt (BGE 142 III 116 E. 3.5.1).
Sie können nicht direkt gegen die Bank vorgehen, um die von Ihnen gewünschten Informationen zu erhalten (5C.157/2003). Sie müssen Ihre Auskunftsrechte zunächst vor dem Gericht geltend machen, welches dann die Bank anweist, die erforderlichen Informationen vorzulegen (5P.423/2006).
Siehe hier einen Artikel des Tagesanzeigers.
Informationen, die von Dritten geschuldet werden (Schule, Arzt)
- Eltern, die die gemeinsame elterliche Sorge haben, können jeweils Informationen von der Schule oder dem Arzt des Kindes einholen, da die Erziehung oder die Gesundheit des Kindes einer der Hauptbereiche der elterlichen Sorge ist.
Weder die Lehrer noch der Arzt können sich grundsätzlich auf das Amts- oder Arztgeheimnis berufen. - Hat ein Vater oder eine Mutter entgegen dem Rechtsgrundsatz keine elterliche Sorge, so kann er/sie dennoch einen Anspruch auf ein Mindestmass an Informationen über die Gesundheit oder die Erziehung seines/ihres Kindes haben, wenn es wichtig ist, etwas über den Zustand oder die Entwicklung des Kindes zu wissen, insbesondere wenn später wichtige Entscheidungen zu treffen sind (Art. 275a ZGB). Sofern das Kindeswohl nicht verlangt, dass die Auskunft nicht erteilt wird (5A_638/2014), muss der Elternteil, der nicht die elterliche Sorge hat, grundsätzlich Auskunft erhalten können (BGE 140 III 343).
Wenn der Dritte die Auskunft verweigert, kann er von einem Gericht, das von einem der beiden Elternteile angerufen wird, zur Auskunft gezwungen werden, auch wenn es sich um einen unverheirateten Elternteil handelt (5A_889/2014).
Es bleibt die heikle Frage nach den eigenen Interessen und Persönlichkeitsrechten des Kindes. Je älter das Kind wird, desto mehr muss sein persönliches Leben geschützt werden (Persönlichkeitsrecht des Kindes). Wenn also ein Elternteil den behandelnden Arzt seiner minderjährigen Tochter fragt, ob sie die Pille nimmt oder abgetrieben hat, wird der Arzt nicht antworten, ohne vorher von seiner Patientin, der minderjährigen Tochter, von der Schweigepflicht entbunden worden zu sein.
Einschränkung der Verfügungsbefugnis über das Vermögen
Gemäss Artikel 178 ZGB können Sie beim Gericht beantragen, einem Ehegatten zu verbieten, über einen Teil seines Vermögens zu verfügen. Das Prinzip ist identisch mit Artikel 22 PartG, welcher die eingetragenen Partnerschaften betrifft.
Konkret kann das Gericht anordnen, dass der Partner bestimmte Vermögenswerte (Gemälde, Villen, usw.) nicht verkaufen oder ohne die Zustimmung des anderen von einem Bankkonto abheben darf. Dasselbe gilt, wenn sich die Immobilie im Ausland befindet oder wenn das Vermögen nicht formell dem Ehepartner gehört (z. B. wenn das Vermögen formell von einer Offshore-Gesellschaft oder einem Trust gehalten wird).
Siehe zwei Beispiele für eine sehr weitgehende Einschränkung der Verfügungsbefugnis in den Urteilen 5A_866/2016 und 5A_60/2020.
Zweck dieser vorsorglichen Massnahmen ist es, die ordnungsgemässe Abwicklung des Güterstandes zu gewährleisten (5A_259/2010).
Das Gericht wird Ihrem Antrag stattgeben, wenn Sie nachweisen können, dass eine ernsthafte und konkrete Gefahr besteht, dass Ihr Ehegatte sein Vermögen verschleudert oder verschwinden lässt (BGE 118 II 378).
Wenn das Gericht der Überzeugung ist, dass schnelles Handeln notwendig ist, kann es auch das Einfrieren von Bankkonten Ihres Ehegatten oder die vorläufige Beschlagnahme von Vermögenswerten anordnen, um ihn daran zu hindern, darüber zu verfügen (5A_604/2014).
Eine Beschlagnahmung/Sperrung wird nur insoweit angeordnet, als dies zum Schutz Ihrer Interessen oder der Interessen der Familie erforderlich ist (5A_604/2014). Die Beschlagnahmung/Sperrung kann sich nur gegen bestimmte Vermögenswerte richten (z. B. ein bestimmtes Bankkonto oder ein bestimmtes Gebäude) und ist zeitlich begrenzt (BGE 120 III 67).
Das zuständige Gericht ist das Gericht Ihres Wohnsitzes oder das Gericht des Wohnsitzes Ihres Ehegatten oder Partners (5P.360/2004).