Vernachlässigung der Unterhaltspflicht
Es wird geschätzt, dass mindestens 20 % der alleinerziehenden Mütter in der Schweiz vom (Ex-)Ehepartner keinen oder nur einen Teil der Unterhaltszahlungen für ihre Kinder erhalten.
Nach Art. 217 Abs. 1 StGB wird, wer den Unterhalt oder die Unterstützung, zu der er nach dem Familienrecht verpflichtet ist, nicht leistet, obwohl er dazu in der Lage ist oder sein könnte, auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Die Unterhaltspflicht wird verletzt, wenn der Schuldner die Unterhaltsleistung, die er nach dem Familienrecht schuldet, nicht vollständig, rechtzeitig und zur Verfügung der empfangsberechtigten Person erbringt. Eine Verletzung der Unterhaltspflicht kann dem Täter hingegen nur dann vorgeworfen werden, wenn er die Mittel zur Erfüllung der Unterhaltspflicht hatte oder hätte haben können. Nämlich demjenigen, der einerseits zwar nicht über ausreichende Mittel verfügt, um seiner Pflicht nachzukommen, andererseits aber auch die ihm gebotenen Erwerbsmöglichkeiten, die er annehmen könnte, nicht nutzt. Es ist nicht erforderlich, dass der Schuldner die Mittel hatte, seine Leistung vollständig zu erbringen, es genügt, dass er mehr hätte leisten können, als er tat, und dass er insoweit seine Unterhaltspflicht verletzt hat (6B_540/2020).
Nach der Rechtsprechung ist die vorsätzliche Nichterfüllung der Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten strafbar, auch wenn die Leistungen nicht vorher vom Zivilrichter festgelegt wurden, wenn die Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt führen (BGE 70 IV 166) oder wenn der unterhaltspflichtige Person die eheliche Wohnung verlassen hat (BGE 74 IV 159). Befinden sich die Ehepartner hingegen in einer Scheidung oder Trennung, muss der Umfang der Unterhaltspflicht durch ein Gerichtsurteil oder eine Vereinbarung zwischen den Parteien festgelegt werden. Die Rechtsprechung erklärt, dass in diesem Fall Geldleistungen den Naturalunterhalt ersetzen und die tatsächlichen Umstände oft eine Lastenverteilung erfordern (BGE 74 IV 52, 159; BGE 76 IV 118; BGE 89 IV 22). Allerdings kann der Schuldner auch im Falle eines Scheidungs- oder Trennungsverfahrens nach Art. 217 StGB bestraft werden, ohne dass der Betrag der geschuldeten Leistungen vorher festgelegt wurde, wenn er nichts zahlt oder einen Betrag, den er selbst für geschuldet hält, nicht entrichtet (BGE 89 IV 22). Ebenso macht sich jemand, der keinen Grund hat, an seiner Vaterschaft zu zweifeln und nichts zahlt, obwohl er dazu aufgefordert wurde und in der Lage ist, einen Beitrag zu leisten, der Verletzung einer Unterhaltspflicht im Sinne von Art. 217 StGB schuldig, auch wenn keine Vereinbarung oder kein Urteil vorliegt (BGE 91 IV 226).
Art. 217 StGB ist daher auch dann anwendbar, wenn kein gerichtliches Urteil vorliegt und keine private Vereinbarung getroffen wurde. Die Person macht sich strafbar, wenn sie die nach dem Familienrecht geschuldeten Unterhaltszahlungen oder Zuschüsse nicht leistet. Eine vorherige gerichtliche Feststellung ist nicht erforderlich, da sich die Unterhaltspflicht direkt aus dem Gesetz ergibt. Ein Urteil oder eine Vereinbarung wird die Verpflichtung jedoch oft konkretisieren und die Feststellung des Sachverhalts erleichtern. So wird die Absicht, den geschuldeten Betrag nicht zu zahlen, in der Regel gegeben sein, wenn die Verpflichtung in einem Urteil oder einer Vereinbarung festgelegt wurde, da sie dem Schuldner dann bekannt ist. Der Vorsatz des Schuldners ist zwar schwieriger nachzuweisen, wenn es keine Entscheidung oder Vereinbarung gibt, aber das Gericht kann den Vorsatz zumindest in offensichtlichen Fällen beweisen, insbesondere wenn der Schuldner nichts oder nur einen geringen Betrag gezahlt hat, obwohl er über beträchtliche Mittel verfügte (BGE 128 IV 86).
Das Gericht muss die konkreten finanziellen Mittel des Schuldners feststellen, um ihm dann gegebenenfalls vorwerfen zu können, dass er nicht (alles) bezahlt hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre. Das Gericht darf sich bei der Bestimmung der konkreten finanziellen Mittel des Schuldners nicht mit Annäherungen zufrieden geben (6B_1180/2020). Das Gericht kann jedoch ein hypothetisches Einkommen berücksichtigen (BGE 126 IV 131).
Die Höchststrafe beträgt 3 Jahre Freiheitsentzug.
Es ist sehr selten, dass ein Gericht eine feste Gefängnisstrafe ausspricht. Andererseits kann das Gericht Ihren (zukünftigen) Ex zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilen (Art. 42 StGB), vorbehaltlich der Amortisation der geschuldeten Alimenten. Mit anderen Worten: Ihr Ex muss die Rückstände nach einem vom Gericht festgelegten Rückzahlungsplan begleichen. Tut er dies nicht, riskiert er eine Gefängnisstrafe für den Zeitraum, zu dem ihn das Gericht verurteilt hat.
Für ein aktuelles Beispiel siehe 6B_376/2023.
Sie können den Strafantrag nach dem angegebenen Beispiel selbst verfassen.