Ablauf einer Gerichtsverhandlung: Wie verläuft eine Verhandlung?
Es geht hier nicht um Gerichtsverhandlungen bei strittigen Anträgen, sondern nur, um Anträge in gegenseitigem Einvernehmen.
Im Prinzip muss das Paar bei der Verhandlung physisch anwesend sein, aber:
- Einer oder beide Ehegatten können unter den Bedingungen von Art. 141a ZPO und 141b ZPO mit elektronischen Mitteln (Internet, Zoom, Teams, Videokonferenzen usw.) angehört werden.
Minderjährige Kinder hingegen müssen persönlich und nicht mit elektronischen Mitteln angehört werden (Art. 298 Abs. 1bis ZPO).
- Wenn Sie vor der Verhandlung beim Gericht einen entsprechenden Antrag stellen, kann einer von Ihnen von der Anwesenheitspflicht befreit werden (Art. 307 ZPO; Art. 278 ZPO), sofern «wichtige Gründe» für die Befreiung vorliegen, z. B. wenn Sie aus einem weit entfernten Land kommen müssen, nur um eine 30-minütige Verhandlung zu erhalten. Das Gericht kann immer frei entscheiden, ob jemand von der Anwesenheitspflicht befreit werden soll. Bei gemeinsamen Kindern ist eine Befreiung grundsätzlich nicht möglich. Siehe den auf der Website verfügbaren Musterbrief für die Wahl des Wohnsitzes und/oder den Antrag auf Befreiung.
Ausnahmsweise kann eine der beiden Personen, wenn sie weder physisch bei der Verhandlung anwesend noch über elektronische Mittel verfügbar ist, von einem Anwalt oder einer Anwältin vertreten werden (BGE 131 III 182), altes Urteil, das vor der Möglichkeit der virtuellen Anwesenheit über elektronische Mittel gefällt wurde).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist ein verfassungsmässiges Recht (Art. 29 Abs. 2 BV). Die Parteien haben keinen Anspruch darauf, im Berufungsverfahren persönlich angehört zu werden (5A_507/2022 E. 3.3.4.2 und 3.3.4.3).
Abwesenheit bei der Verhandlung: welche Folgen?
Erscheint eine — korrekt geladene — Partei nicht zur Verhandlung und wurde sie nicht vom Erscheinen entbunden, gibt es keine gesetzliche Grundlage, um sie zum Erscheinen zu zwingen (5A_507/2022 E. 3.3.2.2), eine zweite Vorladung muss grundsätzlich innerhalb von 30 Tagen angeordnet werden (Art. 245 Abs. 1 ZPO). Es sind keine besonderen Konsequenzen vorgesehen, wenn diese 30-Tage-Frist vom Gericht nicht eingehalten wird (vgl. den (kostenpflichtigen) Artikel von Fabien Waelti «CPC révisé : quelles incidences sur le déroulement des procédures en droit de la famille ?» (2024), veröffentlicht in FAMPRA, S. 841 ff).
Darüber hinaus steht es dem Gericht immer frei, eigene Nachforschungen anzustellen, um einen Aspekt, der ein Kind betrifft, zu klären (296 Abs. 1 ZPO; Art. 317 Abs. 1 ZPO; BGE 144 III 349).
Vorbehaltlich der Notwendigkeit, eine neue Verhandlung einzuberufen, hindert die Abwesenheit einer Partei das Verfahren nicht an seinem Fortgang (5A_438/2020, Urteil vor der Änderung der ZPO, die eine erneute Vorladung vorschreibt).
Je nach den Umständen kann die Abwesenheit eines Elternteils, der ordnungsgemäss zur Verhandlung geladen und nicht entschuldigt wurde, ein mangelndes Interesse an der Sache verraten, und das Gericht kann dies bei seiner Entscheidung berücksichtigen, insbesondere in Bezug auf das Besuchsrecht (wobei jedoch zu beachten ist, dass das Kindeswohl die Hauptachse der zu treffenden Entscheidung ist (5A_507/2022 E. 3.3.2.1).
Die Vorladung erhalten Sie per Einschreiben, welcher an beide der Ehegatten adressiert ist. Dieser Brief gibt Ihnen Ihrer Fallnummer an. Falls einer der Ehegatten am vorgesehenen Datum nicht verfügbar ist, können Sie dem Gericht schreiben, Ihrer Fallnummer angeben und beantragen, dass das Datum der Verhandlung später stattfindet.
Achtung: Wegen der Überlastung der Gerichte kann die Verhandlung um 2 bis 3 Monate verschoben werden.
Die Ehegatten, die ein gemeinsames Scheidungsbegehren eingereicht haben, werden vom Gericht einberufen. Die Zeitspanne zwischen dem Einreichen des Scheidungsbegehrens und der Vorladung der Ehegatten zur Verhandlung variiert von Kanton zu Kanton und ist von der Arbeitsbelastung der Gerichte abhängig. Die Vorladung legt Datum, Uhrzeit und Ort Ihrer Verhandlung fest. Auf der Vorladung steht eine Fallnummer. Wenn Sie später an das Gericht schreiben wollen, müssen Sie immer die Fallnummer angeben.
Wenn sich die Gatten über die Scheidung als solche sowie die Scheidungsfolgen einig sind, so gibt es in der Regel nur eine Verhandlung.
Die Praxis kann von Gericht zu Gericht und sogar von Kammer zu Kammer des Gerichts recht unterschiedlich sein.
- Einige Gerichte verlangen einen Bericht des Sozialamts, wenn minderjährige Kinder vorhanden sind, und fällen ihr Urteil erst, wenn der Bericht des Sozialamts vorliegt. Wenn der Antrag in gegenseitigem Einvernehmen gestellt wird, verlangt das Gericht in der Regel keinen Bericht des Sozialamts und vertraut darauf, dass die Eltern bereits in gegenseitigem Einvernehmen die Modalitäten des Sorgerechts, der Obhut (alternierend oder nicht), des Besuchsrechts (wenn die Obhut nicht alternierend ausgeübt wird) und der Unterhaltsbeiträge (oder keine Unterhaltsbeiträge bei alternierender Obhut, wenn die finanziellen Mittel der Eltern gleichwertig sind) in einer Weise vereinbart haben, die dem Wohl der Kinder zu entsprechen scheint.
- Die meisten Richter sind bei Gerichtsverhandlungen verständnisvoll und angenehm und verstehen es, den Parteien ein gutes Gefühl zu vermitteln. Manchmal sind einige Richter müde (mehr als 50 % ihrer Fälle sind Familienrechtsfälle) und zeigen keine Rücksicht auf die Parteien oder zeigen sogar eine genervte Haltung und grüssen kaum. Sie sind nur ein Fall — einer mehr — den es zu bearbeiten gilt und das Bild der Justiz, das dadurch vermittelt wird, ist beklagenswert. Manchmal kennen die Richter nicht einmal ihre Akte und stellen Fragen, deren Antworten in der Akte angegeben sind. Leider muss man ein solches unangemessenes Verhalten hinnehmen.
Zu Beginn der Verhandlung hört das Gericht beide Parteien schnell an, separat, wenn eine der beiden Parteien dies beantragt. Das Gericht vergewissert sich durch die Verhandlung, dass sich die Parteien aus freiem Willen scheiden möchten (Sicherstellung, dass kein Zwang oder unerlaubter Druck ausgeübt wird). Das Gericht überprüft dann die Vereinbarung.
Falls keine Kinder vorhanden sind, so überprüft das Gericht nur ob die Vereinbarung im Grossen und Ganzen ausgeglichen ist und fragt nicht nach näheren Details. Falls die Eheleute Kinder haben, so überprüft das Gericht genauer, was für sie vereinbart wurde, und vergewissert sich, dass dies dem Kindeswohl entspricht.
Das Gericht ist immer völlig frei, ob es die Vereinbarung der Eltern über alles, was minderjährige Kinder betrifft (5A_274/2023 E. 4.1.2 und 5.2), und/oder über die Aufteilung oder Nichtaufteilung der BVGs genehmigt oder nicht (5A_392/2021 E. 3.4.1.1).
Wenn das Gericht am Ende der Verhandlung mit den Bedingungen des Begehrens und der Vereinbarung zufrieden ist, weist er die Parteien darauf hin, dass ihnen demnächst das Urteil per Post zugestellt wird.
Die Verhandlung dauert ungefähr 15-30 Minuten.
Spricht man den Richter an, so sagt man nicht «Euer Ehren» (wie das in den USA der Fall ist), sondern vielmehr «Herr Richter» /«Frau Richterin» oder «Herr Vorsitzender» / «Frau Vorsitzende».
Wenn ein Elternteil, der ordnungsgemäss vorgeladen wurde, nicht zur Verhandlung erscheint, siehe die Folgen im Urteil 5A_507/2022.