Scheidung Lexikon Verfahren

Wie verläuft eine Anhörung

Entsprechende Verfahren
Scheidung
Trennung
Auseinandersetzung Partnerschaft
Änderung eines Urteils
Vereinbarung unverheiratete Eltern

Im folgenden Text geht es nicht um Anhörungen von strittigen Anträgen, sondern nur um Anhörungen von Anträgen im gegenseitigen Einvernehmen.

Das Paar muss bei der Anhörung physisch anwesend sein. Es gibt normalerweise keine Scheidung oder Trennung durch Bevollmächtigte. Dasselbe gilt für einen Antrag unverheirateter Eltern auf Änderung eines Urteils oder auf Genehmigung eines Abkommens, welches Kinder betrifft.

  • Wenn Sie vor der Verhandlung beim Gericht einen entsprechenden Antrag stellen, kann einer von Ihnen von der Anwesenheitspflicht befreit werden (Art. 307 et 278 ZPO), sofern “berechtigte Gründe” für die Befreiung vorliegen, z. B. wenn Sie aus einem weit entfernten Land kommen müssen, nur um eine 30-minütige Anhörung zu erhalten. Das Gericht kann immer frei entscheiden, ob jemand von der Anwesenheitspflicht befreit werden soll. Bei gemeinsamen Kindern ist eine Befreiung grundsätzlich nicht möglich. Siehe den auf der Website verfügbaren Musterbrief für die Zustellungsanschrift und/oder den Antrag auf Befreiung.
  • Wenn einer der beiden Partner nicht physisch bei der Verhandlung anwesend sein kann, kann er oder sie von einem Anwalt oder einer Anwältin vertreten werden (BGE 131 III 182). Doch einerseits mögen es die Gerichte nicht, wenn die betroffene Person nicht anwesend ist, und andererseits wären die Anwaltskosten mit Sicherheit höher als die Kosten einer Reise, um in der Schweiz anwesend zu sein.
  • Wenn eine – ordnungsgemäß geladene – Partei nicht zur Verhandlung erscheint und nicht vom Erscheinen entbunden wurde, gibt es keine Rechtsgrundlage, um sie zum Erscheinen zu zwingen (5A_507/2022, Erw. 3.3.2.2), es kann eventuell eine zweite Ladung angeordnet werden oder das Gericht kann eigene Nachforschungen anstellen, um einen Aspekt, der ein Kind betrifft, zu klären. Die Abwesenheit einer Partei hindert das Verfahren nicht daran, seinen Lauf zu nehmen (5A_438/2020).

Je nach den Umständen kann die Abwesenheit eines Elternteils, der ordnungsgemäß zur Anhörung geladen und nicht entschuldigt wurde, ein mangelndes Interesse an der Sache verraten, und das Gericht kann dies bei seiner Entscheidung berücksichtigen, insbesondere in Bezug auf das Umgangsrecht (wobei jedoch zu beachten ist, dass das Kindeswohl die Hauptachse der zu treffenden Entscheidung ist (5A_507/2022, Erw. 3.3.2.1).

Die Parteien haben keinen Anspruch darauf, im Berufungsverfahren persönlich angehört zu werden (5A_507/2022, Erw. 3.3.4.2 und 3.3.4.3).

Merkwürdigerweise kann ein Partner oder eine Partnerin im Falle eines Antrags auf Auflösung einer eingetragenen Partnerschaft beantragen, aus “gerechten Gründen” von der Teilnahme an der Anhörung befreit zu werden, insbesondere wenn er oder sie jetzt in einem fernen Land ansässig ist (Art. 307 und 278 ZPO). Der Antrag auf Befreiung muss grundsätzlich schriftlich nach Erhalt der Ladung zur Anhörung und vor dem Termin der Anhörung gestellt werden. Wenn dem Antrag auf Befreiung stattgegeben wird, entscheidet das Gericht ohne weitere Schwierigkeiten über den Antrag auf Auflösung der eingetragenen Partnerschaft.

Nach dem derzeitigen Stand der Zivilprozessordnung (Änderungen sind in Vorbereitung) kann eine Anhörung nicht von Skype, Cloud, Team etc. durchgeführt werden (4A_180/2020).

Mittels einer Verordnung hat der Bundesrat diese Art von Anlagen in der Zeit der COVID-Pandemie zugelassen (siehe hier). Diese Möglichkeit wurde bis zum 31. Dezember 2022 angeboten.

Grundsätzlich wird die Revision der Zivilprozessordnung, die am 1. Januar 2025 in Kraft tritt, es den Gerichten ermöglichen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, mündliche Verfahrenshandlungen (insbesondere Anhörungen) in Zivilverfahren per Videokonferenz und in Ausnahmefällen per Telefonkonferenz durchzuführen oder den am Verfahren beteiligten Personen zu gestatten, auf diese Weise am Verfahren teilzunehmen (Beratungsverfahren. 2023/96).

Siehe die Botschaft, den Gesetzentwurf und die Ergebnisse des Konsultationsverfahrens hier.

Die Vorladung erhalten Sie durch einen eingeschriebenen Brief, welcher an beide der Ehegatten adressiert ist. Dieser Brief gibt Ihnen die Nummer Ihres Dossiers an. Falls einer der Ehegatten am vorgesehenen Datum nicht verfügbar ist, können Sie dem Gericht schreiben, die Nummer Ihres Dossier angeben und beantragen, dass das Datum der Anhörung später stattfindet.

Achtung: Wegen der Überlastung der Gerichte kann die Anhörung um 2 bis 3 Monate verschoben werden.

Die Ehegatten, die ein gemeinsames Scheidungsbegehren eingereicht haben, werden vom Richter einberufen. Die Zeitspanne zwischen dem Einreichen des Scheidungsbegehren und dem Vorladen der Gatten zur Anhörung variiert von Kanton zu Kanton und ist von der Arbeitsbelastung der Gerichte abhängig. Die Vorladung legt Datum, Uhrzeit und Ort Ihrer Anhörung fest. Auf der Vorladung steht eine Fallnummer. Wenn Sie später an das Gericht schreiben wollen, müssen Sie immer die Nummer des Falles angeben.

Wenn sich die Gatten über die Scheidung als solche sowie die Scheidungsfolgen einig sind, so gibt es in der Regel nur eine Anhörung.

Die Praxis kann von Gericht zu Gericht und sogar von Kammer zu Kammer des Gerichts recht unterschiedlich sein.

  • Einige Gerichte verlangen einen Bericht des Sozialamts, wenn minderjährige Kinder vorhanden sind, und fällen ihr Urteil erst, wenn der Bericht des Sozialamts vorliegt. Wenn der Antrag in gegenseitigem Einvernehmen gestellt wird, verlangt das Gericht in der Regel keinen Bericht des Sozialamts und vertraut darauf, dass die Eltern bereits in gegenseitigem Einvernehmen die Modalitäten der elterlichen Sorge, des Sorgerechts (abwechselndes Sorgerecht oder nicht), des Umgangsrechts (wenn das Sorgerecht nicht abwechselnd ausgeübt wird) und der Unterhaltszahlungen (oder keine Unterhaltszahlungen bei abwechselndem Sorgerecht, wenn die finanziellen Mittel der Eltern gleichwertig sind) in einer Weise vereinbart haben, die dem Wohl der Kinder zu entsprechen scheint.
  • Die meisten Richter sind bei Gerichtsverhandlungen verständnisvoll und angenehm und verstehen es, den Parteien ein gutes Gefühl zu vermitteln. Manchmal sind einige Richter müde (mehr als 50 % ihrer Fälle sind Familienrechtsfälle) und zeigen keine Rücksicht auf die Parteien oder zeigen sogar eine genervte Haltung und sagen kaum Hallo. Sie sind nur ein Fall – einer mehr – den es zu bearbeiten gilt und das Bild der Justiz, das dadurch vermittelt wird, ist beklagenswert. Manchmal kennen die Richter nicht einmal ihre Akte und stellen Fragen, deren Antworten in der Akte angegeben sind. Leider muss man ein solches unangemessenes Verhalten hinnehmen.

Zu Beginn der Anhörung hört der Richter beide Parteien schnell an. Das Gericht vergewissert sich durch die getrennte Anhörung, dass sich die Parteien aus freiem Willen scheiden möchten (Sicherstellung, dass kein Zwang oder unerlaubter Druck ausgeübt wird). Der Richter überprüft dann die Scheidungskonvention. Grundsätzlich hört das Gericht die Ehegatten nur separat an, wenn der eine der Ehegatten dies verlangt.

Falls keine Kinder vorhanden sind, so überprüft der Richter nur ob die Scheidungskonvention im Grossen und Ganzen ausgeglichen ist. Er fragt nicht nach näheren Details. Falls die Eheleute Kinder haben, so überprüft das Gericht genauer was für sie vereinbart wurde und vergewissert sich, dass dies dem Kindeswohl entspricht.

Das Gericht ist immer völlig frei, ob es die Vereinbarung der Eltern über alles, was minderjährige Kinder betrifft, und/oder über die Aufteilung oder Nichtaufteilung der BVGs genehmigt oder nicht.

Wenn der Richter am Ende der Anhörung mit den Bedingungen des Scheidungsbegehrens und der Scheidungskonvention zufrieden ist, weist er die Parteien darauf hin, dass ihnen demnächst das Scheidungsurteil per Post zugestellt wird.

Die Anhörung dauert ungefähr 30 Minuten.

Spricht man den Richter an, so sagt man nicht „Euer Ehren“ (wie das in den USA der Fall ist), sondern vielmehr „Herr/Frau Vorsitzende/r“.

Für mehr Informationen, klicken Sie auf Verfahren.

Wenn ein Elternteil, der ordnungsgemäß vorgeladen wurde, nicht zur Anhörung erscheint, siehe die Folgen im Urteil 5A_507/2022.

Artikel aktualisiert am 17/04/2024