BVG — 2. Säule : Das rechtliche Prinzip des Teilens
Gemäss Art. 122 ZGB müssen die Ehegatten die während der Ehe erworbenen Beträge der beruflichen Vorsorge (nur 2. Säule) grundsätzlich halbieren. Dabei handelt es sich um besondere Regeln, die unabhängig vom Güterstand gelten (also auch bei Gütertrennung). Die dritte Säule hingegen liquidiert sich nach den Regeln des Güterstandes (BGE 137 III 337 E. 2.1.1; BGE 129 III 257).
Die Einteilung erfolgt auf der Grundlage spezifischer Bescheinigungen, die zusammen mit der dem Gericht zu übermittelnden Akte vorgelegt werden müssen.
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Wenn sich einer und/oder beide weigern, ihre Bescheinigung zu beantragen oder vorzulegen, muss das Gericht diese selbst bei der betreffenden Vorsorgeeinrichtung beantragen (Art. 281 ZPO; 5A_683/2022 E. 2.2).
Der Grundgedanke ist ein doppelter: Zum einen soll verhindert werden, dass ein Ehegatte im Alter der Sozialhilfe zur Last fällt, zum anderen ist es nur gerecht, dass die von beiden während der Ehe für den Ruhestand angesammelten Vermögenswerte gleichwertig sind, damit der eine gegenüber dem anderen in Bezug auf seine betriebliche Altersvorsorge (Pensionierung) nicht benachteiligt wird.
Nicht nur, weil der eine oft mehr verdient als der andere (und damit während der Ehe mehr anhäuft), sondern vor allem auch, um das fehlende Rentenvermögen auszugleichen, falls man während der Ehe seine Erwerbstätigkeit reduziert oder aufgehört hat zu arbeiten.
Der klassische Fall ist der der Ehefrau, die ihre Arbeitszeit reduziert oder ihre Arbeit einstellt, um sich um die Familie zu kümmern. Es ist nicht fair, dass sie im Ruhestand benachteiligt wird, während der Andere weiterhin Vermögen für seinen Ruhestand angesammelt hat.
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Unter bestimmten Voraussetzungen kann auf die BVG-Teilung verzichtet werden.
Die Aufteilung erfolgt grundsätzlich zu gleichen Teilen, auch wenn das Rentenalter noch nicht erreicht ist und eine Invalidenrente aus der Pensionskasse gezahlt wird (Art. 124 ZGB).
Der Rechtsgrundsatz der 50/50-Teilung gilt auch dann, wenn beide Ehegatten bereits eine Alters- oder Invalidenrente beziehen (Art. 124a ZGB).
Beispiel für eine 50/50-Teilung der 2. Säule:
Ehefrau | Ehemann | ||
Säule vor der Ehe | Entspricht dem Betrag, den jeder Ehegatte vor der Eheschließung angesammelt hatte | 10’000.- | 80’000.- |
Bestimmung am Tag der Einleitung des Scheidungsverfahrens | Bisher angesammelte Beträge | 70’000.- | 150’000.- |
Während der Ehe angesammelte Beträge | Die Bescheinigung Ihrer Pensionskasse gibt Ihnen diese Zahl an. | 70’000.- – 10’000.- 60’000.- | 150’000.- – 80’000.- 70’000.- |
Unterschiedsbetrag des BVG-Vermögens | 70’000 – 60’000 = 10’000.- | ||
Ausgleich | Die Hälfte der Differenz, d. h. 10’000 : 2 = 5’000.- | 5’000.- müssen vom Vermögen des Herrn auf das Vermögen der Dame übertragen werden. | |
Ausgleich des während der Ehe angesammelten BVG-Vermögens | 60’000.- + 5’000.- 65’000.- | 70’000.- – 5’000.- 65’000.- |
Insgesamt durch Addition des VOR der Eheschliessung angesammelten Vermögens,
- Das BVG-Vermögen des Herrn wird 65’000 + 80’000 = 145’000.-betragen.
- Das BVG-Vermögen der Frau wird 65’000 + 10’000 = 75’000.- betragen.
Auch der Erwerb von Rentenjahren, der während der Ehe getätigt wurde, muss geteilt werden, es sei denn, er wurde mit eigenen Mitteln getätigt (entweder durch Verwendung von vor der Ehe vorhandenen Mitteln oder durch Erbschaft oder Schenkung, siehe hier ATF 5A_358/2007; 5A_865/2015).
Die Arbeitgeberbeitragsreserven werden bei der Berechnung der zu teilenden Austrittsleistung nicht berücksichtigt (5A_130/2019).
Beachten Sie, dass die Ehegatten zur Vermeidung ungerechter Lösungen eine andere Aufteilung als 50/50 vereinbaren können, insbesondere aus folgenden Gründen:
- Wenn die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Teilung erfüllt sind, können Sie dennoch vereinbaren, zu teilen, auch zu einem anderen Anteil als 50/50.
- Wenn ein grosser Altersunterschied besteht und der Jüngere noch viele Arbeitsjahre vor sich hat, um «eine angemessene berufliche Vorsorge aufzubauen» (Art. 124b Abs. 2 ZGB; BGE 145 III 56 E. 5.2).
- Wenn der/die Teilungsberechtigte nach der Scheidung gemeinsame Kinder betreut und der/die andere im Rentenalter weiterhin eine angemessene Vorsorge treffen kann, auch wenn er/sie mehr als die Hälfte des Differenzbetrags der angesammelten Guthaben abgibt (Art. 124b Abs. 3 ZGB). Es geht darum, den zukünftigen Vorsorgeverlust des Ehepartners auszugleichen, der nicht zu 100 % arbeitet (und daher nicht so viele BVG-Guthaben wie möglich ansammelt), da ihm die Obhut für ein oder mehrere gemeinsame Kinder zugewiesen wird (5A_830/2018). Der andere Ehegatte erhält unter diesen Umständen mehr als 50 % des Differenzbetrags des angesammelten Guthabens. Diese Bestimmung gilt grundsätzlich nicht bei alternierender Obhut.
Ein kleiner Unterschied oder eine Ungleichheit des wirtschaftlichen Status oder der Erwerbsfähigkeit reicht nicht aus, um das Prinzip der 50/50-Teilung zu ändern, aber es muss vermieden werden, dass die Teilung zu einer Situation der Ungleichheit führt (5A_455/2019).
Die Ehegatten können nicht beschliessen, dass die Teilung zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt als dem der Einreichung des Scheidungsantrags erfolgen soll (z. B. zum Zeitpunkt der physischen Trennung der Ehegatten), da das Gesetz eindeutig besagt (Art. 122 ZGB), dass die Teilung das Vermögen betrifft, das während der Ehe (also auch während der Trennung) und bis zum Tag der Einreichung des Scheidungsantrags angesammelt wurde (5A_153/2019).
Der Gesetzentwurf sah vor, es dem Gericht oder den Parteien zu überlassen, den Stichtag zu bestimmen, der jedoch innerhalb von sechs Monaten vor dem endgültigen Scheidungsurteil gewählt werden sollte. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht in den endgültigen Text übernommen.
Dem Gericht steht es immer frei, sich für die Anwendung des Rechtsprinzips der 50/50-Teilung am Tag der Einreichung der Anmeldung zu entscheiden, auch wenn die Parteien anders entschieden haben.
Es wird aber wahrscheinlich Ihre Entscheidung akzeptieren, in einem anderen Verhältnis als 50/50 zu teilen, solange jeder der Ehegatten auf jeden Fall eine angemessene Vorsorge behält (zumindest potenziell).
Erbschaftserwartungen rechtfertigen keine andere Aufteilung als die des 50/50-Prinzips, auch nicht, um die Teilung zu verweigern (Zürcher Urteil vom 23. Juni 2017, LC160041).
Ein langes Konkubinat vor der Heirat rechtfertigt keine Abweichung vom gesetzlichen Grundsatz der 50/50-Teilung (5A_945/2016).
Die Lebensweise (z. B. sparsam) oder der Wohnort (z. B. in einem Land mit viel niedrigeren Lebenshaltungskosten als in der Schweiz) des/der Begünstigten müssen nicht berücksichtigt werden. Grundsätzlich gilt, dass die Differenz der von beiden während der Ehe angesammelten Vermögenswerte 50/50 geteilt werden muss. Jeder Ehepartner kann frei entscheiden, wo er wohnt, was er mit seiner Rente macht und wie er sein Leben gestalten möchte (5A_211/2020).