Internationale Aspekte
Es können zwei Situationen unterschieden werden:
- (A) Scheidungsurteil im Ausland und Vorsorgeguthaben in der Schweiz
- (B) Scheidungsverfahren in der Schweiz und Vorsorgeguthaben im Ausland
(A) Scheidungsurteil im Ausland und Vorsorgeguthaben in der Schweiz
Gemäss Art 63 Abs. 1bis IPRG und Art. 64 Abs. 1bis IPRG fällt die Aufteilung der schweizerischen beruflichen Vorsorge im Falle einer Scheidung in die ausschliessliche Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte.
Folglich kann bei einer Scheidung im Ausland das schweizerische Vorsorgeguthaben nur durch ein schweizerisches Gericht geteilt werden, auch wenn das ausländische Scheidungsgericht das schweizerische Vorsorgeguthaben in seinem Scheidungsurteil berücksichtigt hat.
Siehe in diesem Sinne BGE 145 III 109 E. 4.3 und 5.9; 5A_819/2019 E. 3.3.1).
Diese zwingende Regel gilt jedoch nicht für ausländische Scheidungen vor dem 1. Januar 2017 (Datum des Inkrafttretens von Art. 64 Abs. 1bis IPRG). Siehe in diesem Sinne BGE 145 III 109 E. 5 und das Urteil des Waadtländer Zivilgerichts vom 23. November 2023 HC/223/754 Nr. 473.
Die «Ausgleichsleistungen» des Art. 270 des französischen Zivilgesetzbuches haben nicht die gleichen Ziele und die gleiche Tragweite wie die Art. 122 ff. des schweizerischen Zivilgesetzbuches über Guthaben aus der beruflichen Vorsorge oder der Schweizer Grundsatz der Teilung von Guthaben aus der beruflichen Vorsorge. Siehe zu diesem Punkt BGE 131 III 289 E. 2.8 und das Urteil des Waadtländer Zivilgerichts vom 23. November 2023 HC/223/754 Nr. 473 E. 4.2.2.
Die Verjährungsfrist für die Einreichung der Klage in der Schweiz beträgt 10 Jahre ab dem Tag, an dem das ausländische Scheidungsurteil rechtskräftig geworden ist (Genfer Urteil vom 26. März 2021, ACJC/396/2021).
Das zuständige Gericht für die Entscheidung über die Teilung von Schweizer Vorsorgeguthaben ist:
a. Wenn einer und/oder beide der im Ausland geschiedenen Ehegatten die Schweizer Staatsangehörigkeit besitzen:
- Das ordentliche Zivilgericht (erstinstanzliches Gericht, Bezirksgericht) des Wohnsitzes in der Schweiz eines der beiden im Ausland geschiedenen Ex-Ehegatten, wenn einer und/oder beide zum Zeitpunkt des Teilungsantrags in der Schweiz wohnhaft sind (Art. 64 Abs. 1bis und Art. 59 IPRG).
- Das ordentliche Zivilgericht der Heimatgemeinde, wenn einer der beiden im Ausland geschiedenen Ehegatten Schweizer Staatsbürger ist und keiner von ihnen in der Schweiz wohnt (Art. 64 Abs. 1bis und Art. 60 IPRG).
b. Wenn keiner der Ex-Ehegatten die Schweizer Staatsangehörigkeit besitzt:
- Das ordentliche Zivilgericht am Wohnsitz in der Schweiz eines der beiden im Ausland geschiedenen Ex-Ehegatten, wenn einer und/oder beide seit mehr als einem Jahr in der Schweiz wohnhaft sind (Art. 64 Abs. 1bis und Art. 59 IPRG).
- Das ordentliche Zivilgericht am Ort der Eheschliessung (Art. 60a IPRG), wenn die Ehe in der Schweiz geschlossen wurde und keiner der Ehegatten die Schweizer Staatsbürgerschaft besitzt oder seit mehr als einem Jahr in der Schweiz wohnhaft ist.
- Das ordentliche Zivilgericht am Sitz der Vorsorgeeinrichtung (Waadtländer Urteil vom 8. August 2019). Vermutlich ist auch das Zivilgericht am Sitz der Filiale des Vorsorgeinstituts zuständig (BGE 144 V 313).
Das schweizerische Gericht wird darauf achten, dass kein Ungleichgewicht in der Teilung entsteht.
Zwei Situationen sind möglich:
- Ist das Vorsorgeguthaben ausschliesslich in der Schweiz (und während der Ehe) angesammelt worden, wendet das Gericht die üblichen Grundsätze an (im Prinzip hälftige Aufteilung und zwar unabhängig vom Güterstand, je nach Bedingungen, die einen Verzicht erlauben).
- Wurde das Vorsorgeguthaben während der Ehe sowohl in der Schweiz als auch im Ausland gebildet, gewährt das Gericht eine angemessene Entschädigung gemäss Art. 124e Abs. 1 ZGB.
(B) Scheidungsverfahren in der Schweiz und Vorsorgeguthaben im Ausland
Im Allgemeinen ist das schweizerische Gericht nicht befugt, einer ausländischen Vorsorgeeinrichtung etwas anzuordnen.
Zum Beispiel haben internationale Beamte (die z. B. bei der UNO arbeiten) ihres Vorsorgewerk in New York. Folglich würde ein Schweizer Scheidungsurteil, das eine Überweisung an den Pensionsfonds in New York anordnet, nicht vollstreckt werden.
In solchen Fällen wird das schweizerische Gericht dieser Unmöglichkeit, einen Ausgleich im Ausland anzuordnen, dadurch Rechnung tragen, dass er in seinem Urteil einen als angemessene Entschädigung geschuldeten Betrag gemäss Art. 124e ZGB festsetzt.
Entscheidet das ausländische Gericht nachträglich, das Vorsorgeguthaben im Ausland zu verteilen, kann das schweizerische Gericht sein Urteil entsprechend revidieren (Art. 124e ZGB).
In beiden Fällen (A) und (B), kann die teilungsberechtigte Person den Betrag auf ihr reguläres Konto erhalten?
a) Wenn die begünstigte Person in der Schweiz wohnhaft ist:
Keine Möglichkeit, die Teilung auf ein persönliches Konto zu beziehen, solange die begünstigte Person das Schweizer Rentenalter noch nicht erreicht hat (Art. 5 FZG).
Der Teilungsbetrag muss folglich und notwendigerweise auf ein Freizügigkeitskonto/eine Freizügigkeitsversicherungspolice überwiesen werden und bleibt dort grundsätzlich bis zum Erreichen des AHV-Alters gesperrt.
Vorbehaltlich der Möglichkeit, das Guthaben 5 Jahre vor oder 5 Jahre nach dem gesetzlichen Rentenalter zu beziehen (Art. 16 Abs. 1 FZV)
Sobald sie auf ihr Vorsorge- oder Freizügigkeitskonto eingezahlt wurden, kann die begünstigte Person sie für einen Immobilienkauf verwenden, oder kann sie beziehen, wenn sie nun eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt (Art. 5 Abs. 1 Bst. b FZG).
b) Wenn die begünstigte Person im Ausland — ausserhalb der EU oder der EFTA — wohnhaft ist.
Der Teilungsbetrag wird auf ein ordentliches Konto der begünstigten Person überwiesen.
c) Wenn die begünstigte Person in einem Land der EU oder der EFTA wohnhaft ist:
Nur der überobligatorische Teil des Guthabens aus der schweizerischen beruflichen Vorsorge kann frei bezogen werden.
Der obligatorische Teil kann nicht auf einem persönlichen Konto der begünstigten Person empfangen / überwiesen werden, solange sie das Rentenalter noch nicht erreicht hat und muss daher zwangsläufig auf ein Freizügigkeitskonto / eine Freizügigkeitsversicherung überwiesen werden (Genfer Entscheidungen ATAS/819/2014 vom 27. Juni 2014, ATAS/746/2014 vom 19. Juni 2014 und ACJC/200/2019 vom 8. Februar 2019).
Siehe Einzelheiten zu den Art. 25b bis 25g FZG.
Die in der EU oder EFTA wohnhafte begünstigte Person kann jedoch frei, entweder auf ihr persönliches Konto, den Teilungsbetrag erhalten, wenn sie nie eine besondere Beziehung zur Schweiz hatte und nachweislich nicht obligatorisch gegen die Risiken Alter, Tod und Invalidität nach den Gesetzen ihres Landes (der EU oder EFTA) versichert ist, zum Beispiel weil sie dort eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt.
Siehe die Waadtländer Entscheidung vom 11. September 2014, in dem die Überweisung des Betrags, der sich aus der Teilung der schweizerischen beruflichen Vorsorge ihres Ex-Mannes ergibt, auf das Privatkonto der in Frankreich wohnhaften und geschiedenen Ex-Ehefrau angeordnet wurde, ohne jedoch eine Bescheinigung oder Dokumentation zu verlangen, die belegt, dass sie in Frankreich nicht obligatorisch gegen die Risiken Alter, Tod und Invalidität versichert ist: «On ne saurait retenir que la demanderesse continue à être obligatoirement assurée contre les risques vieillesse, décès et invalidité [en France] dès lors qu’elle ne l’ait jamais été en Suisse» [Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin weiterhin obligatorisch gegen die Risiken Alter, Tod und Invalidität [in Frankreich] versichert ist, da sie dies in der Schweiz nie versichert war].
Es ist nicht sicher, ob das Bundesgericht dieser Argumentation folgen würde.
Zu dieser vom Bundesgericht nicht geklärten Frage und den abweichenden kantonalen Entscheidungen siehe den (kostenpflichtigen) Artikel von Soile Santamaria und Raphael Jakob «Obstacles à l’action en complément de divorce étranger tendant au partage de la prévoyance professionnelle» (2024).
Der Nachweis der Nicht-Pflichtversicherung gegen die Risiken Alter, Tod und Invalidität im Wohnsitzland (EU oder EFTA) erfolgt gemäss den Angaben im Urteil BGE 137 V 181 E. 7.2.