Vorzeitiger Bezug des Vorsorgeguthabens
Möglicherweise hat einer der Ehegatten die Vorauszahlung von seiner Pensionskasse erhalten und sie für den Kauf eines Gebäudes oder die Gründung eines Unternehmens verwendet.
Wenn bereits eine BVG-Rente gezahlt wird (Pensionierung oder Invalidität), ist der in die Immobilie investierte Teil der Vorsorge nicht mehr blockiert und muss im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung behandelt werden (BGE 141 III 145). Siehe dazu das betreffende Dossier.
Wenn noch keine BVG-Rente gezahlt wird, gilt der Betrag des in die Immobilie eingebrachten Vorsorgeguthabens als Darlehen der Vorsorgeeinrichtung und dieser Betrag muss daher in die Summe der während der Ehe angesammelten Guthaben eingerechnet werden (Art. 123 ZGB; 5A_360/2018; BGE 137 V 440).
Folglich wird der Vorbezug für den Immobilienerwerb zur Freizügigkeitsleistung addiert, die der Aufteilung des während der Ehe angesammelten Vorsorgeguthabens gemäss Art. 122 ZGB unterliegen muss (kann) (5A_405/2018), wenn bereits eine BVG-Rente (Alter / Invalidität) ausbezahlt wird.
Gemäss Bundesgericht stehen einem Ehegatten, der vorweggenommene Mittel aus der eigenen beruflichen Vorsorge zum Erwerb von Wohneigentum eingesetzt hat, mehrere Mittel zur Verfügung, um seine Schulden gegenüber dem gläubigen Ehegatten zu begleichen (BGE 137 III 49):
- Ist durch den Vorbezug das Kapital der beruflichen Vorsorge nicht erschöpft, muss der Anspruch des anderen Ehegatten auf Entschädigung mit der verbleibenden Freizügigkeitsleistung verrechnet werden;
- Verfügt der Ehegatte mit dem Verrechnungsanspruch über ein ausreichendes Vermögen, kann er den geschuldeten Betrag an seine Pensionskasse zurückzahlen, die den Anspruch zugunsten des anderen Ehegatten durch Überweisung einer Freizügigkeitsleistung durchsetzt;
- Es ist auch möglich, dem Ehegatten des Gläubigers durch ein Urteil den gesamten oder einen Teil des bedingten Anspruchs auf Rückzahlung des Vorbezugs zu übertragen;
- Wenn eine vertragliche Lösung zwischen den Parteien gefunden werden kann, kann die Forderung für einen bestimmten Zeitraum gestundet werden. Zur Erinnerung: Der Ehegatte ist der Gläubiger der Aufrechnung. Dieser Anspruch muss dann durch eine Verpfändung des Eigentums an der Wohnung gesichert werden. Die Renteninstitutionen beider Parteien sollten an einer solchen Vereinbarung beteiligt werden.
- Ist eine konventionelle Lösung ausgeschlossen und hat der geschuldete Ehegatte keine finanziellen Mittel, um seine berufliche Vorsorge zugunsten seines Ehegatten sofort zu vollstrecken, so bleibt dem Gericht keine andere Lösung, als auf die Teilung des Vorbezugs zu verzichten (Art. 123 Abs. 2 ZGB) und dem zur Verrechnung berechtigten Ehegatten eine angemessene Entschädigung (Art. 124 ZGB) in Höhe des Anteils der in Raten fälligen und zahlbaren Vorbezugsleistungen zu gewähren (BGE 135 V 324).
Diese Lösungen können auf die Verpfändung angewandt werden; in diesem Fall muss die besondere Art des Pfandes, insbesondere das Erfordernis der Zustimmung des Gläubigers, berücksichtigt werden, da das Pfand das Recht in seiner Gesamtheit berührt, auch wenn es betragsmäßig begrenzt sein kann.
Wenn ein Teil des Pensionsfonds für den Kauf einer Liegenschaft verwendet wurde und die Liegenschaft verkauft wird, müssen die aus der 2. Säule bezogenen Mittel an den Pensionsfonds zurückbezahlt werden.
Wenn das gesamte Kapital oder ein Teil davon vor dem Rentenalter bezogen wurde (z. B. wenn man selbstständig wird) und der/die Vorbeziehende keine Vorsorgegelder mehr zur Verfügung hat, um die Teilung zu ermöglichen, ist eine angemessene Entschädigung fällig (Art. 124e ZGB; 5A_679/2019 E. 5.3). Nur der Teil der Bar- oder Kapitalauszahlung aus Vorsorgegeldern, die während der Ehe angesammelt wurden, werden bei der Bestimmung der angemessenen Entschädigung berücksichtigt.
Der Betrag wird nach Billigkeit festgelegt und muss daher dazu führen, dass jeder Ehegatte insgesamt eine «angemessene Vorsorge» erhält, wobei auch sein Einkommen und Vermögen sowie das Ergebnis der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu berücksichtigen sind.
Mehrere Beispiele finden Sie in der Broschüre von Katerina Baumann und Margarita Lautenburg: «Scheidung, Pensionskasse, AHV/IV» (2007).