Gewalt
Häusliche Gewalt ist eine traurige Realität, die in der Schweiz und im Ausland immer noch viel zu häufig vorkommt.
Die Schweiz hat sich sowohl auf nationaler (Art. 8 BV) als auch auf internationaler Ebene (CEDAW, Istanbul-Konvention) verpflichtet, alle Formen der Diskriminierung von Frauen zu bekämpfen, zu denen auch häusliche Gewalt gehört.
Der Bundesrat hat einen Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention festgelegt.
Schutz wird sowohl ansässigen als auch nicht ansässigen Personen (Migranten) gewährt.
Die Gewalt kann von physischer, psychischer oder sexueller Natur sein. Sie kann von wiederholten Ohrfeigen bis hin zu Mord, Vergewaltigung, Belästigung, Stalking, Messerstecherei, Entführung, Beschimpfungen, Drohung usw. reichen.
Für ein Beispiel, in dem der Täter wegen versuchten Mordes verurteilt wurde, siehe 6B_803/2022.
Gewalt betrifft natürlich nicht nur heterosexuelle Paare: In einem Entscheid vom 7. September 2018 (1H 18 3) entschied das Kantonsgericht Luzern, dass ein gewalttätiger Partner verpflichtet werden kann, eine Pflichtberatung zu absolvieren.
Im Jahr 2020 registrierten die Behörden 20’123 Straftaten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt. Dies ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs, da schätzungsweise nur 10 % bis 22 % der Opfer Anzeige erstatten. 72 % der Opfer sind Frauen. Im statistischen Durchschnitt wird jeden Monat eine Frau im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt getötet.
Das Bundesgesetz fordert dazu auf, häusliche Gewalt gegen Kinder den Behörden zu melden, vorbehaltlich der ärztlichen Schweigepflicht, die im freien Ermessen des Arztes liegt. (Art. 314c ZGB).
Art. 314d ZGB verpflichtet Beamte und bestimmte Berufsgruppen, den Verdacht auf häusliche Gewalt den Behörden zu melden, und überlässt es den Kantonen, weitere derartige Verpflichtungen vorzusehen (vgl. Art. 34 Abs. 2 und 3 des Genfer Gesetzes zur Anwendung des Zivilgesetzbuches, das die Meldepflicht beispielsweise auf religiöse Autoritäten ausdehnt).
Was ist im Falle von häuslicher Gewalt zu tun ?
- Alarmieren Sie sofort die Polizei.
- Lassen Sie so bald wie möglich ein ärztliches Attest ausstellen.
- Stellen Sie bei der nächsten Polizeidienststelle einen Strafantrag.
- Gehen Sie vor Gericht und fordern Sie vorsorgliche Massnahmen, sei es im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren oder mit Eheschutzmassnahmen.
- Erhalten Sie Entfernungsmassnahmen.
- Suchen Sie Zuflucht in einem Aufnahmezentrum.
- Kontaktieren Sie gratis im Falle eines Notfalls die Opferhilfe Schweiz.
Sonstige Angaben, einschliesslich einer Liste der Aufnahmezentren, finden Sie auf den folgenden Webseiten:
- Gewalt: Was ist zu tun?
- Frauenhaus und Opferberatungsstelle
- E-Mail, um eine Unterkunft zu finden (info@unterschlupf.ch)
- Einrichtungen und Dienste für häusliche Gewalt
Für weitere Informationen, insbesondere zu verschiedenen Zufluchtseinrichtungen, kann man folgende Seiten besuchen:
- Stiftung gegen Gewalt an Frauen und Kindern
- Frauenhäuser Schweiz
- Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann, Häusliche Gewalt
- Schweizerische Kriminalprävention, häusliche Gewalt
- Sexuelle Gewalt
- Opferhilfestellen
- Beratungsstellen
- Männer Gewalt
- Dachorganisation der Frauenhäuser der Schweiz und Liechtenstein
Und, wenn es um den Schutz des Kindes vor Gewalt in einer elterlichen Partnerschaft geht, den (kostenpflichtigen) Artikel von Gaëlle Droz-Sauthier, Ersilia Gianella-Frieden, Paula Krüger, Suzanne Lorenz Cottagnoud, Amel Mahfoudh, Tanja Mittrovic. «Mesures de protection de l’enfant en cas de violence dans le couple parental : de la Convention d’Istanbul au droit suisse. Analyse et propositions» (2024).
Mehrere Vorstösse im Nationalrat zielen darauf ab, das Strafgesetzbuch zu ändern und eine Bestimmung einzuführen, die speziell häusliche Gewalt unter Strafe stellt und erschwerende Strafen vorsieht, wenn Kinder Opfer von häuslicher Gewalt werden (siehe beispielsweise die Interpellation von Jacqueline De Quattro vom 12. Juni 2024 und die Antwort des Bundesrates).
Mehrere Kantone (Genf, Neuchâtel, Obwalden, Waadt, Wallis und Zürich) haben kantonale Gesetze zur Bekämpfung häuslicher Gewalt erlassen.
Bundesrecht
Ein Opfer kann Entfernungsmassnahmen beantragen.
Die Massnahmen wurden durch das Bundesgesetz über die Verbesserung des Schutzes gewaltbetroffener Personen ergänzt, das dem Zivilgesetzbuch die Artikel 28 b und 28 c hinzufügte.
In der Pressemitteilung wird das essentielle zu diesem Bundesgesetz ausgeführt.
Ein Gericht kann daher unter der Voraussetzung, dass das Opfer dies beantragt (Art. 343 Abs. 1bis ZPO), eine elektronische Überwachung (elektronische Fussfessel) anordnen, wenn eine Entfernungsmassnahme wegen Gewalt, Drohungen und/oder Belästigung auf der Grundlage von Artikel 28b ZGB verhängt wurde. Zuständig ist entweder das Gericht, das die Fernhaltemassnahme anordnet, oder die Behörde, die mit der Vollstreckung der Entscheidung beauftragt ist. Die Kantone müssen über eine Vollstreckungsstelle verfügen.
Die Überwachungsmassnahme darf nach dem neuen Artikel 28c ZGB Abs. 2 nicht länger als sechs Monate dauern.
Das Gesetz sagt nichts darüber aus, ob das Gericht nach Ablauf der ersten sechs Monate erneut eine sechsmonatige Überwachung anordnen kann und welche Behörde die Verlängerung oder Erneuerung der Massnahme anordnen kann, insbesondere wenn die Massnahme im Rahmen einer Trennung (MPUC / “Mesures Protectrices de l’Union Conjugale”) oder einer Scheidung angeordnet wird. Dies wird durch die Rechtsprechung geklärt werden.
Ausserdem werden die GPS-Daten der elektronischen Fussfessel zwar aufgezeichnet, aber nicht kontinuierlich übermittelt. Es wird also nicht sofort eingegriffen, wenn die betroffene Person in den Sperrbezirk eindringt und damit gegen die Massnahme verstösst. Erst im Nachhinein kann festgestellt werden, ob die betroffene Person das Rayonverbot befolgt hat oder nicht.
Für ein Beispiel für die Verpflichtung, eine elektronische Fußfessel zu tragen, und die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Anordnung siehe ATF 149 III 193, sowie den Kommentar zu diesem Urteil von Rechtsanwalt Camille Davy.
Internationales Recht
Am 31. Mai 2017 hat die Schweiz das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt genehmigt (Istanbul-Konvention).
Die Schweiz hat jedoch mehrere Vorbehalte gegenüber der Anwendung der Istanbul-Konvention geäussert, die von nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen (z. B. Human Rights) angeprangert wurden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte, dass die Mitgliedsstaaten der Konvention (auch die Schweiz) die Pflicht haben, konkrete Massnahmen zum Schutz der Opfer von Online-Belästigungen zu ergreifen.
Siehe auch die Rezeption und Anwendung des Istanbul-Übereinkommens in der Schweiz.