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Recht auf Kontakt

Entsprechende Verfahren
Scheidung
Trennung
Auflösung der Partnerschaft
Änderung eines Urteils
Vereinbarung unverheirateter Eltern

Recht auf Kontakt und Pflicht zur Pflege persönlichen Verkehrs

Art. 273 ZGB sieht vor, dass ein Vater oder eine Mutter, die nicht die elterliche Sorge oder die Obhut haben, sowie ein minderjähriges Kind, ein Recht auf Kontakt haben.

Das Recht auf Kontakt wird in erster Linie als ein Persönlichkeitsrecht des Kindes angesehen. Die Entscheidung muss daher den Bedürfnissen und den besten Interessen des Kindes so gut wie möglich entsprechen (5A_739/2022 E. 5). Es ist auch eine Pflicht jedes Elternteils, den Kontakt mit dem Kind aufrechtzuerhalten (5A_95/2023 E. 4.2.1 und 4.2; 5A_277/2021; BGE 127 III 295).

Art. 274 Abs. 1 ZGB sieht vor, dass Vater und Mutter darauf achten müssen, die Beziehungen des Kindes zum anderen Elternteil nicht zu stören und die Erziehung nicht zu erschweren.

In der Praxis ist es schwierig, einen Elternteil zu zwingen, sein Besuchsrecht auszuüben. Allenfalls kann das Erwachsenen- und Kindesschutzgericht eingreifen, insbesondere dann, wenn die Nichtausübung des Besuchsrechts dem Wohl des Kindes schadet. Das Erwachsenen- und Kinderschutzgericht kann nur versuchen, den pflichtwidrig handelnden Elternteil anzurufen, es kann ihm auch Weisungen erteilen oder sogar eine Person benennen, die ein Einsichts- und Informationsrecht hat.

Das Recht auf Kontakt und die Pflicht zur Pflege persönlichen Verkehrs sollte immer im Interesse des Kindes und zum Wohle des Kindes ausgeübt werden (5A_277/2021).

Grundsätzlich haben die Eltern auch dann ein Besuchsrecht, wenn das Kind bei einer Pflegefamilie untergebracht ist, sofern das Besuchsrecht das Kind nicht stört (5A_44/2022).

Im Hinblick auf den Elternteil, der alleiniger Inhaber der elterlichen Sorge ist (wenn diese gewährt wird, weil die elterliche Sorge grundsätzlich gemeinsam bleibt), sollte der Elternteil, so weit wie möglich, den persönlichen Verkehr des Kindes mit dem anderen Elternteil fördern. Schliesslich hat er/sie die Pflicht, den anderen Elternteil über besondere Ereignisse im Leben des Kindes (Schulergebnisse, Krankheit, Unfall usw.) zu informieren und zu konsultieren.

Dies ist der Grundsatz des Art. 275a ZGB.

Es sollte bedacht werden, dass je harmonischer die Situation zwischen den Eltern ist, desto mehr kann das Kind einen persönlichen und konstruktiven Verkehr zu jedem von ihnen entwickeln.

Natürlich gehen Streitigkeiten zwischen den Eltern die Kinder nichts an und sie dürfen niemals Partei ergreifen oder in einen Loyalitätskonflikt gebracht werden.

Diese Art von Konflikt zeigt oft die fehlende Fähigkeit eines Elternteils — oder beider Elternteile —, die emotionale Bindung des Kindes an den anderen Elternteil zu tolerieren (BGE 142 III 1).

In diesem Fall dominieren Emotionen die Vernunft. Das Kind in einen Loyalitätskonflikt zu bringen, zeugt von einem Mangel an elterlicher Verantwortung, der dem Kind nur schaden kann und es oft schwer und manchmal lebenslang traumatisiert. Es kann vorkommen, dass der Konflikt so gross ist, dass das Kind in einer Einrichtung untergebracht werden muss, da die Unterbringung des Kindes in einem Loyalitätskonflikt als Kindesmisshandlung angesehen werden kann (5A_131/2021).

Eltern sollten harsche oder verletzende Sprache gegenüber dem anderen Elternteil in Anwesenheit des Kindes vermeiden. Das Kind ist auch keine Informationsquelle, um einen Elternteil über das Leben oder die Aktivitäten des anderen Elternteils zu informieren. Kurz gesagt, das Kind sollte nicht in die ohnehin schon schwierigen Beziehungen zwischen den Eltern einbezogen werden.

Beide Elternteile haben die Pflicht, eine gute Beziehung zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu fördern. Der Elternteil mit der umfangreicheren Obhut muss das Kind unter anderem positiv auf Besuche beim anderen Elternteil und auf regelmässigen Kontakt, zum Beispiel per Skype mit dem anderen Elternteil, vorbereiten (5A_819/2016).

Diese Pflichten ergeben sich auch aus der elterlichen Sorge: Das Bestehen der emotionalen Bindung zum anderen Elternteil ist immer von grosser Bedeutung (BGE 142 III 1).

Ein Beispiel: Einem Elternteil mit Besuchsrecht zu erlauben, abends mit den Kindern zu telefonieren, an Geburtstagen und zu Beginn und am Ende der Ferien aussergewöhnliche Besuchszeiten zu gewähren, gehört zum normalen Besuchsrecht (5A_50/2013).

Wenn es das Wohl des Kindes erfordert, kann das Recht auf Kontakt (zum Beispiel das Besuchsrecht) angepasst, eingeschränkt oder sogar — ausnahmsweise und als ultima ratio — entzogen oder verweigert werden (5A_647/2020; 5A_111/2019; 5A_875/2017; 5A_1006/2021).

Einige Beispiele:

  • Beschränkung des Besuchsrechts auf das Hoheitsgebiet der Schweiz (5A_41/2022).
  • Es bleibt im Interesse des Kindes, dass zwischen dem Vater und seiner 15-jährigen Tochter zwei- bis dreimal im Jahr 30- bis 60-minütige «Erinnerungskontakte» stattfinden, obwohl die Tochter keine besonderen Gründe für die Ablehnung von Kontakten angibt (5A_1006/2021).
  • Als Gegenteil: Erinnerungskontakte wurden verweigert, da die beiden 14- und 17-jährigen Söhne ihre entschlossene Weigerung, irgendeinen Kontakt mit ihrem Vater zu haben, klar zum Ausdruck brachten und wiederholten (5A_647/2020), wobei die Söhne gewarnt wurden, dass sie daher nach ihrer Volljährigkeit keine finanzielle Unterstützung von ihrem Vater verlangen könnten.
  • Entzug des Besuchsrechts bei einem konkreten und ernsthaften Verdacht auf Kindesentführung (5A_983/2019).
  • Beschränkung des Besuchsrechts auf einen «Treffpunkt» unter Aufsicht (5A_277/2021) oder an einem dritten Ort (Grosseltern 5A_699/2007).
  • Hinterlegung von Ausweispapieren (5A_257/2016).
  • Bei «wichtigen Gründen» (z. B. psychische Störungen, schwere Alkohol- oder Drogenabhängigkeit des Elternteils).

Die Meinung des Kindes

Siehe dazu das Dossier die Meinung des Kindes.


Eingreifen des Staates

Wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist und sich herausstellt, dass die Eltern das Risiko nicht abwenden können oder wollen, wird die Kinderschutzbehörde die geeigneten Kinderschutzmassnahmen ergreifen (Art. 307 Abs. 1 ZGB).

Die Behörden müssen nur dann eingreifen, wenn weder die Eltern noch ihr Umfeld das Problem lösen können. Zudem muss die mildeste Massnahme angeordnet werden, die noch Erfolg verspricht. Der Eingriff in die Rechte des Kindes und der Eltern muss zudem in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Massnahme stehen (5A_64/2023 E. 3.1).


Recht auf Kontakt mit Dritten

Im Gegensatz zu vielen ausländischen Gesetzgebungen erkennt das Schweizer Recht kaum ein Recht Dritter an, Kontakt zum Kind zu unterhalten. Zwar führt das Wohl des Kindes häufig zu der Auffassung, dass die Beziehungen des Kindes zu bestimmten Dritten bevorzugt und geschützt werden sollten.

Dennoch haben weder das Kind noch der Dritte ein Recht auf Kontakt.

Es sei denn, es liegen ganz aussergewöhnliche Umstände vor, wie es in Art. 274a ZGB heisst.

Solche aussergewöhnlichen Umstände können vorliegen, wenn eine besonders enge Beziehung zwischen der betreffenden Drittperson und dem Kind besteht oder wenn eine sogenannte «soziale» Verwandtschaft zwischen dem Kind und der Drittperson besteht, da die Drittperson elternähnliche Aufgaben übernommen hat («intentionaler Elternteil» 5A_225/2022 E. 5.1).

Der Kreis der betroffenen Dritten kann Grosseltern, Pflegeeltern, den getrennt lebenden oder geschiedenen Stiefelternteil des leiblichen Elternteils, den Ex-Partner des rechtlichen Elternteils oder den Ex-Partner einer eingetragenen Partnerschaft umfassen (5A_225/2022 E. 5.5.2).

Wenn die Frage der Beziehungen zu Dritten von einem Gericht entschieden werden muss, wird das Gericht die Anordnung von persönlichen Verkehr zu dem Dritten wahrscheinlich ablehnen, wenn das Kind bereits normale Beziehungen zu beiden Elternteilen hat und einer der beiden Elternteile sich gegen persönlichen Verkehr des Kindes zu einem Dritten ausspricht (5A_225/2022 E. 5.5.2).

Einige Beispiele aus der Rechtsprechung:

a. Grosseltern

Ein Recht auf Kontakt zwischen dem Kind und seinen Grosseltern wurde unter dem aussergewöhnlichen Umstand des Todes eines der beiden Elternteile anerkannt (5A_463/2017).

Die Beziehung zwischen dem Kind und seinen Grosseltern entspricht grundsätzlich dem Wohl des Kindes. Im Falle eines Konflikts zwischen den Grosseltern und der Mutter (oder dem Vater) ist es wichtig, dass die Beteiligten ihre Differenzen nicht in einer Weise austragen, die das Wohl des Kindes gefährdet (5A_380/2018).

Es wurde entschieden, dass ein Grossvater keinen Anspruch auf persönlichen Verkehr zu seinem Enkelkind hat, da die konkrete Situation nicht auf «aussergewöhnliche Umstände» schliessen liess, die es nach Art. 274a ZGB erlauben würden, persönliche Beziehungen zu Dritten vorzusehen (5A_550/2022). Dennoch betonen Psychologen die Bedeutung regelmässiger Kontakte zu den Grosseltern und listen eine beeindruckende Liste von Aktivitäten auf, in diesem konkreten Fall zwischen dem Grossvater und dem Kind, wodurch das Interesse des Kindes an der Möglichkeit regelmässiger Beziehungen zu seinem Grossvater betont wird.

Wenn man solche Entscheidungen (etwas) karikiert, kommt man zu dem Schluss, dass es nicht im besten Interesse des Kindes ist, persönlichen Verkehr zu seinem Grossvater zu pflegen!

Der Einsatz eines Mediators ist zu empfehlen.

b. Stiefelternteil

Jeder Ehegatte ist verpflichtet, seinen Ehegatten in angemessener Weise bei der Ausübung der elterlichen Sorge über die Kinder des anderen zu unterstützen und ihn zu vertreten, wenn die Umstände dies erfordern (5A_831/2008).

c. Pflegeelternteil

Wird ein Kind Dritten anvertraut, so vertritt dieser, vorbehaltlich anderer Massnahmen, den Vater und die Mutter bei der Ausübung der elterlichen Sorge, soweit dies geeignet ist, um die Aufgabe ordnungsgemäss zu erfüllen (Art. 300 ZGB; 5A_990/2016).

d. (Ex-)Partner

Das Gericht kann die Regelung des persönlichen Verkehrs zwischen einem (ehemaligen) Partner und dem (nicht adoptierten) Kind des anderen Partners bestimmen (BGE 147 III 209), wenn nachgewiesen wird, dass die Partner eine gemeinsame elterliche Planung hatten (5A_225/2022).

e. Cousine ersten Grades

Ausnahmsweise wurde einer Cousine ersten Grades ein Besuchsrecht für vaterlose Kinder gewährt, deren Mutter das Sorgerecht entzogen worden war und die in einem Heim untergebracht waren (BGE 129 III 689).

f. Leihmutter?

Die Frage nach einem Recht auf Kontakt zu einer Leihmutter bleibt offen. Sie wurde bisher nur in indirekter Weise im Urteil BGE 129 III 689 angesprochen.


Recht auf Information, Konsultation und Auskunft

Eines ist klar: Auch wenn die Eltern nicht mehr miteinander auskommen, ob sie nun getrennt oder geschieden sind, sind sie immer noch Vater und Mutter des Kindes. Als solche haben sie die Pflicht, sich gegenseitig über wichtige Ereignisse, die das Kind betreffen, zu informieren. Sie haben eine gegenseitige Informationspflicht.

Das Gesetz (Art. 275 ZGB) gewährt dem nicht sorgeberechtigten Elternteil ein Recht auf Information und Auskunft über die Entwicklung des Kindes.

  • Einerseits muss der sorgeberechtigte Elternteil den anderen Elternteil über alle besonders wichtigen Ereignisse (Entwicklung, Erziehung, Gesundheit etc.) im Leben des Kindes informieren (Art. 275a Abs. 1 ZGB).
  • Andererseits kann der nicht sorgeberechtigte Elternteil selbst Informationen von Dritten (Arzt, Lehrer, etc.) einholen, die das Kind betreuen (Art. 275a Abs. 2 ZGB).
  • Das Recht auf Information, Konsultation und Auskunft muss natürlich in gutem Glauben ausgeübt werden und nicht auf schikanöse Weise (in einem Versuch, den Elternteil, der das Sorgerecht und/oder die Obhut hat, systematisch zu überwachen oder zu kontrollieren). Falls nötig, kann das Erwachsenen- und Kindesschutzgericht das Recht auf Information, Konsultation und Auskunft einschränken, wenn schwerwiegende Gründe dafür vorliegen (Art. 275a al. 3 ZGB).

Das Recht auf Information und Auskunft kann in Notfällen durch vorsorgliche Massnahmen ausgeübt werden.


Entfremdungssyndrom (PAS)

PAS auf English: Parental Alienation Syndrome)

Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist sich über diesen Begriff uneinig, der (noch) nicht in der Liste der anerkannten psychologischen Erkrankungen enthalten ist. Siehe dazu die Entwicklungen auf Wikipedia.

Siehe auch hier.

In strittigen Verfahren wird das Argument offenbar immer häufiger verwendet und zielt somit darauf ab, nachzuweisen, dass die (bewussten oder unbewussten) Manöver oder Handlungen eines Elternteils das Kind instrumentalisieren, um jegliche Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil zu beeinträchtigen oder gar zu vernichten.

Diese Anschuldigungen führen häufig dazu, dass Gerichte Gutachten anordnen. Das Bundesgericht geht mit diesem Aspekt sehr vorsichtig um. Entweder bezieht es sich auf das vorgelegte Gutachten oder es besteht auf der klaren, wiederholten und entschlossenen Entschlossenheit des Kindes, den persönlichen Verkehr mit dem anderen Elternteil oder den gewöhnlichen persönlichen Verkehr mit ihm/ihr zu verweigern. Das Bundesgericht schliesst also Manipulation aus (5A_442/2020; 5A_191/2018; 5A_547/2017; 5A_265/2015).

Artikel aktualisiert am 31/05/2024