Unentgeltliche Rechtspflege
Bedingungen für den Erhalt von unentgeltlicher Rechtspflege
Wenn eine Person die finanziellen Mittel für einen Anwalt und/oder die Gerichtsgebühren nicht aufbringen kann, kann sie beim Kanton seines Wohnortes um unentgeltliche Rechtspflege ersuchen. Wird diese gewährt, trägt der Kanton ganz oder teilweise die Kosten.
Die Genehmigungsbedingungen sind in der ganzen Schweiz einheitlich in den Art. 117 bis 123 ZPO geregelt.
Nach Art. 117 ZPO hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
Die Vorlage eines Dokuments, das belegt, dass die Person Sozialhilfe erhält, reicht nicht immer aus, um die Bedürftigkeit zu beweisen; das Gericht muss auch die Umstände des Einzelfalls und die anderen vorgelegten oder vorzulegenden Dokumente prüfen (5A_333/2022 E. 11.4.1). Siehe auch den von Rechtsanwältin Léane Ecklin veröffentlichten Kommentar zu diesem Urteil.
Im Allgemeinen verfügt eine Person nicht über «die erforderlichen Mittel», wenn Einkommen und Vermögen weniger als 20 % des Existenzminimums abdecken.
Ein Prozess ist aussichtslos, wenn die Aussichten, ihn zu gewinnen, wesentlich geringer sind als die Risiken, ihn zu verlieren; er ist jedoch nicht aussichtslos, wenn die Erfolgsaussichten und die Risiken des Scheiterns ungefähr gleich sind oder wenn die Erfolgsaussichten nicht wesentlich geringer sind als die Risiken des Scheiterns (4A_462/2023 E. 9.1). Entscheidend ist, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, nach einer vernünftigen Analyse den Prozess überhaupt beginnen würde. Es soll verhindert werden, dass eine Partei einen Prozess führt, den sie auf eigene Kosten nicht führen würde, nur weil er sie nichts kostet (5A_770/2021).
Für ein Beispiel, in dem die unentgeltliche Rechtspflege verweigert wurde, weil die Erfolgsaussichten nicht ausreichend waren, siehe 5A_432/2023.
Für das Scheidungsverfahren, das Trennungsverfahren oder die Eheschutzmassnahmen, die Änderung eines Urteils oder die Genehmigung einer Vereinbarung unverheirateter Eltern ist die unentgeltliche Rechtspflege in Zivilsachen zu beantragen. Bei Gewalttätigkeiten oder wenn Sie zudem einen Strafantrag stellen, ist ausserdem die unentgeltliche Rechtspflege in Strafsachen zu beantragen.
Die Praxis der Kantone ist sehr unterschiedlich, sowohl bei der Gewährung von unentgeltliche Rechtspflege als auch bei der Forderung nach einer Rückerstattung in Raten. Einige sind wesentlich grosszügiger als andere.
Für weitere Informationen zu diesem Thema siehe den (kostenpflichtigen) Artikel von Sandra Renevey: «Des pratiques cantonales disparates», veröffentlicht in Plaidoyer (2023).
Die Besonderheiten der unentgeltlichen Rechtspflege
Auch Ausländer können von der unentgeltlichen Rechtspflege profitieren. Das Antragsverfahren ist zügig und gratis. Die Entscheidung kommt umgehend zustande, im Allgemeinen innerhalb von 30 Tagen. Im Falle offensichtlicher Dringlichkeit kann sie schneller getroffen werden.
Die unentgeltliche Rechtspflege wird nicht gewährt, wenn die Erfolgsaussichten ganz offensichtlich gering sind. Die Bewilligung des Entscheids der unentgeltlichen Rechtspflege kann aufgehoben oder zurückgezogen werden, wenn die gemachten Angaben nicht wahrheitsgemäss sind, oder wenn sich die finanzielle Lage der Person erheblich verbessert.
Die unentgeltliche Rechtspflege wird nicht gewährt, wenn der Person finanzielle Unterstützung seitens der Familie zugutekommt. In Sachen Scheidung, Trennung oder Eheschutzmassnahmen wird die unentgeltliche Rechtspflege oft unter der Bedingung zugesprochen, dass die begünstigte Person eine provisio ad litem verlangt (5A_18/2023 E. 4.2.1).
In der Regel wird die unentgeltliche Rechtspflege verlangen, dass Sie den gesamten Betrag oder einen Teil davon in monatlichen Raten zurückzahlen. Dies hängt von Ihrer finanziellen Lage ab.
Die Person kann einen Rechtsanwalt vorschlagen, der dann von Amtes wegen zu seiner Verteidigung benannt wird. Es steht der Behörde frei, diesen oder einen anderen Anwalt zu beauftragen. Wurde ein Anwalt im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege ernannt, kann dieser nur gewechselt werden, wenn schwerwiegende Gründe für den Wechsel des Rechtsanwalts vorliegen (1B_166/2020; 5A_929/2016).
Pflichtverteidiger werden sehr schlecht bezahlt (5D_2/2024) und haben einen Anreiz, nur ein Minimum an reduzierter Tätigkeit zu entfalten.
Informationen und Formular zur Beantragung von unentgeltlicher Rechtspflege
Die Bedingungen und das Formular für den Erhalt von unentgeltlicher Rechtspflege finden sich auf der jeweiligen Website:
- Appenzell Innerrhoden: Siehe hier
- Appenzell Ausserrhoden: Siehe hier
- Aargau: Eine schriftliche Anfrage ist direkt an das Bezirksgericht einzureichen: Siehe hier
- Baselland: Siehe hier
- Basel-Stadt: Eine schriftliche Anfrage ist direkt an Gerichtkreis einzureichen: Zivilgericht Basel-Stadt, Postfach 964, 4001 Basel / Tel. 061 267 81 81 / Siehe hier
- Bern: Eine schriftliche Anfrage ist direkt an das Regionalgericht einzureichen: Siehe hier
- Regionalgericht Berner Jura-Seeland
- Amthaus Biel, Spitalstrasse 14, 2501 Biel / Tel. 032 344 57 20 / Fax 032 344 57 24
- Aussenstelle Berner Jura, Rue du Château 9, 2740 Moutier / Tel. 032 494 56 44/46 / Fax 032 494 56 45
- Regionalgericht Emmental-Oberaargau
- Schloss Burgdorf, Schlossgässli 1, 3400 Burgdorf / Tel. 034 427 88 44 / Fax 034 427 88 49
- Provisorische Aussenstellen:
- Schloss Aarwangen, Jurastrasse 90, 4912 Aarwangen / Tel. 062 919 02 31 / Fax 062 919 02 30
- Amthaus Langnau, Dorfstrasse 21, 3550 Langnau / Tel. 034 408 18 58 / Fax 034 408 18 59
- Regionalgericht Berner Jura-Seeland
- Regionalgericht Bern-Mittelland
- Amthaus Bern, Hodlerstrasse 7, 3011 Bern / Tel. 031 634 31 65 / Fax 031 634 32 00
- Regionalgericht Bern-Mittelland
- Regionalgericht Oberland
- Verwaltungsgebäude Selve, Scheibenstrasse 11 B, 3600 Thun / Tel. 031 635 56 00 / Fax 031 635 56 77
- Regionalgericht Oberland
- Glarus: Siehe hier
- Luzern: Siehe hier
- Nidwald: Siehe hier
- Obwalden: Siehe hier
- Schaffhausen – Eine schriftliche Anfrage ist direkt an das Kantonsgericht einzureichen: Siehe hier
- Schwyz: Siehe hier
- Solothurn: Siehe hier
- St.-Gallen: Siehe hier
- Thurgau: Siehe hier
- Uri: Siehe hier
- Wallis: Eine schriftliche Anfrage ist direkt an das Kantonsgericht-Justizgebäude einzureichen: Kantonsgericht-Justizgebäude, Mathieu Schiner 1 – Postfach, 1905 Sitten 2 Nord / Tel. 027 606 53 00 / Fax 027 606 53 01 / Siehe hier
- Zug: Siehe hier
- Zürich: Siehe hier
Unentgeltliche Rechtspflege und onlinescheidung.ch
Wenn Sie unentgeltliche Rechtspflege beantragen, können Sie den Antrag darauf beschränken, dass der Staat die Gerichtsgebühren übernimmt, oder Sie können zusätzlich beantragen, dass Ihnen ein Anwalt oder eine Anwältin zur Seite gestellt wird, der/die Sie bei den Verfahren unterstützt.
Wenn Sie sich dafür entscheiden, unentgeltliche Rechtspflege und die Bestellung eines Anwalts zu beantragen, müssen Sie den Fragebogen nicht über onlinescheidung.ch ausfüllen. Die Website ist dennoch nützlich, da Sie alle notwendigen Informationen (Lexikon) enthält, um die Rechtsgrundsätze und die Arbeit der Anwälte besser zu verstehen.
Wenn Sie sich dafür entscheiden, die unentgeltliche Rechtspflege nur für die Gerichtsgebühren zu beantragen, können Sie mit unserer Website fortfahren und Ihre Unterlagen mit dem Fragebogen auf ihrem Konto erstellen. Wenn Sie den Fragebogen und die Budgets ausgefüllt haben, gehen Sie zur Zahlungsseite, wo Sie eine Zahlung per Banküberweisung auswählen.
Sie zahlen nicht, sondern schicken uns per E-Mail (info@onlinescheidung.ch) eine Kopie des Beschlusses, der Ihnen unentgeltliche Rechtspflege gewährt. In diesem Fall geben wir Ihnen den Zugang zu Ihren Unterlagen frei, als hätten Sie bezahlt. Kurz gesagt: Sie können weiterhin die Dienste der Website nutzen und Ihre Unterlagen erstellen, die Sie an das Gericht schicken, und Sie müssen nichts an die Website zahlen, wenn Ihnen unentgeltliche Rechtspflege gewährt wird.