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Wohnsitz des Kindes

Entsprechende Verfahren
Scheidung
Trennung
Auflösung der Partnerschaft
Änderung eines Urteils
Vereinbarung unverheirateter Eltern

Gemäss Art. 25 ZGB befindet sich der Wohnsitz des minderjährigen Kindes am Wohnsitz der Eltern, wenn sie zusammenleben, oder, wenn die Eltern nicht mehr zusammenleben, am Wohnsitz des Elternteils, der die Obhut für das minderjährige Kind hat. Bei alternierender Obhut legen die Eltern — bzw. bei Uneinigkeit das Gericht — den Wohnsitz des minderjährigen Kindes am Wohnsitz des einen oder des anderen Elternteils fest.

Wenn das minderjährige Kind unter Vormundschaft steht, befindet sich sein Wohnsitz am Sitz der Kinderschutzbehörde.

Sofern es nicht unter Vormundschaft steht, entscheidet das volljährige Kind frei über seinen Wohnsitz (Art. 23 ZGB).

Der Wohnsitz des Kindes ist in mehreren Bereichen von Bedeutung:

  • Er bestimmt, welche Behörden für den Schutz des Kindes zuständig sind.
  • Er bestimmt in der Regel die Schule, die das Kind besuchen wird.
  • Er begründet das Recht auf Teilnahme an bestimmten Aktivitäten, die vom Gemeinwesen organisiert werden.
  • Schliesslich ist der Wohnsitz oder «gewöhnliche Aufenthalt des Kindes» auf internationaler Ebene von grosser Bedeutung, da — im Prinzip — nur das Gericht des «gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes» für die endgültige Entscheidung über alle das Kind betreffenden Fragen (elterliches Sorgerecht, Obhut, Besuchsrecht, Alimente) zuständig ist, vorbehaltlich der Bestimmungen internationaler Verträge, die vorsehen, dass das Rückführungsrecht des Kindes grundsätzlich vor allen anderen Fragen geprüft werden muss.

In dringenden Fällen kann das Gericht, in dem sich das Kind befindet, vorsorgliche Massnahmen treffen, die so lange in Kraft bleiben, bis das Gericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes eine Entscheidung getroffen hat (5A_679/2022).

Der «gewöhnliche Aufenthalt des Kindes» ist ein Begriff aus dem Haager Übereinkommen vom 29. Mai 1993 über den Schutz von Kindern (insbesondere Art. 2), das von der Schweiz und über 50 Ländern genehmigt wurde. Zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts siehe den Kommentar der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht.

Im Falle einer Trennung oder Scheidung ist der Wohnsitz des Kindes:

  • Am Wohnsitz des Elternteils, der allein die elterliche Sorge hat (in Fällen, in denen die elterliche Sorge entgegen der Regel nicht gemeinsam bleibt).
  • Am Wohnsitz des Elternteils, der die Obhut hat, in Fällen, in denen die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam ausgeübt wird und die Obhut einem Elternteil zugewiesen wird.
  • Bei gemeinsamer elterlicher Sorge und alternierender Obhut wird der Wohnsitz des Kindes von den Eltern in ihrer Vereinbarung festgelegt. Fehlt diese Angabe oder können sich die Eltern nicht über den Wohnsitz des Kindes einigen, legt das Gericht den Wohnsitz des Kindes am Ort des Wohnsitzes des Elternteils fest, bei dem das Kind die meiste Zeit verbringt (im Falle einer alternierenden Obhut, die nicht perfekt 50/50 ausgeglichen ist 5A_38/2019), oder im Falle einer perfekt 50/50 ausgeglichenen alternierenden Obhut am Ort des Wohnsitzes des Elternteils, an dem das Kind seine wichtigsten Bindungen hat (z. B. Schule; vgl. BGE 144 V 299 Streitfall betreffend Familienzulagen).

Weitere Details zum Begriff des Wohnsitzes des Kindes finden Sie im (kostenlosen) Artikel von Paul-Henri Steinhauer: «Le domicile de l’enfant dont les parents n’ont pas un domicile commun» (2017), S. 15 ff.

Änderung / Verbringen des Wohnsitzes des Kindes

Der folgende Text bezieht sich auf die zivilrechtlichen Aspekte. Siehe auch die strafrechtlichen Aspekte der Kindesentführung.
Zur Zuständigkeit der Zivilgerichte im Falle des Verbringens eines Kindes siehe BGE 149 III 81, je nachdem, ob das Verbringen des Kindes rechtmässig oder unrechtmässig erfolgte.

Die Wahl des Wohnsitzes des Kindes ist einer der Bestandteile des elterlichen Sorgerechts (Art. 301a ZGB).

In der Regel wird das elterliche Sorgerecht gemeinsam ausgeübt. Dabei können zwei Situationen unterschieden werden:

  • Handelt es sich um einen Umzug in die Schweiz, wird geprüft, ob er wichtige Folgen für den Umgang und die Ausübung des elterlichen Sorgerechts des anderen Elternteils hat (Art. 301a Abs. 2 Bst. b ZGB).
  • Beabsichtigt der Elternteil ins Ausland zu ziehen, ist die Zustimmung des anderen Elternteils in jedem Fall erforderlich, auch wenn dies keine erheblichen Folgen für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorgerechte hat (Art. 301a Abs. 2 Bst. a ZGB).

Wenn das elterliche Sorgerecht entgegen der Regel nicht gemeinsam ausgeübt wird, kann der Elternteil mit elterlichem Sorgerecht ohne Zustimmung des anderen den Wohnsitz mit dem Kind wechseln (5A_281/2020), muss aber den anderen Elternteil «rechtzeitig» informieren (Art. 301a Abs. 3 ZGB), d. h. — im Prinzip — früh genug, damit der andere Elternteil versuchen kann, vom Gericht eine dringende vorsorgliche Massnahme zu erwirken, um das Projekt zumindest vorläufig zu blockieren.

Es gibt praktisch keine Sanktion, wenn der Elternteil dies ignoriert und den anderen Elternteil erst informiert, wenn der Umzug stattgefunden hat!

Genehmigung oder Verweigerung der Ausreise / des Verbringens / des Umzugs des Kindes

Weigert sich der andere Elternteil, kann das Gericht den Umzug des Kindes genehmigen oder ablehnen (Art. 301a Abs. 5 ZGB; 5A_985/2014). Das Gericht kann auch dringende vorsorgliche Massnahmen ergreifen (z.B. Einziehung des Reisepasses des Kindes oder vorübergehende oder endgültige Einschränkung / Entzug der elterlichen Sorge in ihrer Komponente, das Recht festzulegen, den Wohnsitz des Kindes zu bestimmen. Siehe das Dossier Vorsorgliche Massnahmen) und entscheiden, dass die Obhut für das Kind dem anderen Elternteil zugesprochen wird, falls der Elternteil seine Pläne, mit dem Kind ins Ausland zu ziehen, fortsetzt (5A_539/2020; 5A_271/2019).

In einem besonderen Fall bestätigte das Bundesgericht, dass es im Interesse des Kindes sei, in einer Einrichtung untergebracht zu werden, und entzog beiden Elternteilen das Recht, den Aufenthaltsort des Kindes zu wählen (unter Beibehaltung des Besuchsrechts und der früheren Bestimmungen über die persönlichen Beziehungen mit dem Kind (5A_218/2023).

Wenn das Gericht darüber zu entscheiden hat, ob das Kind seinem Elternteil folgen darf, geht es nicht auf die Entscheidung des Elternteils ein, ins Ausland zu gehen oder an einen anderen Ort in der Schweiz zu ziehen (Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit), sondern es entscheidet, ob ein solcher Umzug dem Wohl des Kindes entspricht oder nicht (5A_555/2023 E. 5; BGE 142 III 481).

Siehe z. B. 5A_536/2023: «Deshalb darf nach der elterlichen Trennung nicht einfach der bestehende Zustand perpetuiert werden […], sondern hat das Gericht vielmehr unter der Prämisse des Wegzuges des einen Elternteils die Frage zu entscheiden, ob das Wohl des Kindes besser gewahrt ist, wenn es mit dem auswanderungswilligen Elternteil wegzieht, oder wenn es sich beim zurückbleibenden Elternteil aufhält […]. Die hierfür relevanten Kriterien […] sind vorab die persönliche Beziehung zwischen dem Kind und den Elternteilen, deren erzieherischen Fähigkeiten und die Bereitschaft, das Kind in eigener Obhut zu haben; soweit das Kind bislang alternierend betreut worden ist und beide Teile weiterhin willens und in der Lage sind, persönlich oder im Rahmen eines im Kindeswohl liegenden Betreuungskonzeptes für das Kind zu sorgen, werden weitere Kriterien zentral wie das familiäre und wirtschaftliche Umfeld, die Stabilität der Verhältnisse, die Sprache und Beschulung, die gesundheitlichen Bedürfnisse sowie bei älteren Kindern auch deren eigene Wünsche.»

Der Elternteil, der für das Kind Alimente zahlen muss, kann immer frei entscheiden, ob er sich an einem anderen Ort, z. B. im Ausland, niederlässt oder seinen Wohnsitz verlegt. Er kann sich jedoch nicht auf geringere finanzielle Mittel im Ausland berufen, um die dem Kind geschuldeten Alimente zu senken, da das Wohl des Kindes Vorrang hat (5A_424/2022: Verbringen des Wohnsitzes in Deutschland ohne zwingenden Grund).

Es stellt sich daher die Frage, ob das Wohl des Kindes besser bewahrt wird, wenn es dem Elternteil folgt, der den Umzug plant, oder ob es in Zukunft bei dem Elternteil bleibt, der nicht umzieht (5A_1018/2017).

In Fällen, in denen das Kind widerrechtlich verbracht wurde und die Rückkehr in das Herkunftsland beantragt wird, muss notwendigerweise ein Beistand ernannt werden, der das Kind vertritt (5A_91/2023 E. 7.3).

Die Meinung des heranwachsenden Kindes ist zu berücksichtigen, während die Meinung eines jüngeren Kindes angesichts des Risikos einer (bewussten oder unbewussten) Manipulation des Kindes nicht ausschlaggebend ist. Wie das Bundesgericht (5A_228/2023; 5A_954/2021) und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte regelmässig betonen, besteht der Grundsatz darin, die Rückgabe des Kindes unverzüglich anzuordnen, und Ausnahmen von diesem Grundsatz müssen daher notwendigerweise begrenzt bleiben.

Die Kriterien, die bei der Genehmigung oder Ablehnung des Umzugs / der Änderung des Wohnsitzes des Kindes in der Schweiz berücksichtigt werden müssen, sind die gleichen wie beim Umzug des Kindes ins Ausland (BGE 142 III 502 E. 2.5). Ein Umzug des Kindes, der die persönlichen Beziehungen, die Obhut oder das Besuchsrecht jedes Elternteils mit dem Kind nicht verändert (Umzug in die Nachbarschaft oder in einen nicht zu weit entfernten Umkreis), erfordert nicht die Zustimmung des anderen Elternteils. Ein Umzug, der aufgrund von Gewalt oder Misshandlung durch einen Elternteil erforderlich ist, bedarf nicht der Zustimmung des gewalttätigen Elternteils.

Das Interesse des Kindes besteht natürlich nicht darin, seinen Wohnsitz in ein bekanntermassen gefährliches Land zu verlegen (5A_555/2023 E. 3).

Kriterien, die in den Entscheidungen des Bundesgerichts berücksichtigt wurden:

  • Im Allgemeinen sind die relevanten Kriterien bei der Entscheidung über einen Umzug und damit auch bei der Zuteilung der Obhut vor allem die persönliche Beziehung zwischen dem Kind und den Eltern, ihre elterlichen Fähigkeiten und die Bereitschaft, das Kind zu betreuen. Wenn das Kind zuvor alternativ betreut wurde und beide Parteien weiterhin bereit und in der Lage sind, sich persönlich oder im Rahmen eines Betreuungskonzepts, das dem Wohl des Kindes entspricht, um das Kind zu kümmern, werden andere Kriterien zentral, wie der familiäre und wirtschaftliche Hintergrund. die Umwelt, die Stabilität der Umstände, Sprache und Schulbildung, Gesundheitsbedürfnisse und bei älteren Kindern ihre eigenen Wünsche (5A_555/2023 E. 5; BGE 142 III 481 E. 2.7).
  • Im Falle zugewiesener Obhut an einen Elternteil : Grundsätzlich ist es im Interesse des Kindes, dem obhutsberechtigten Elternteil zu folgen, sofern dieser Elternteil ihm eine ähnliche Betreuung an seinem zukünftigen Wohnort garantieren kann und der Umzug nicht zu einer Gefährdung des Kindeswohls führt (5A_539/2020 E. 4.1.3; 5A_271/2019).

Häufig wird entschieden, dass es im Interesse von sehr kleinen Kindern ist, bei der Mutter zu bleiben (5A_536/2023).

Selbst wenn diese Bedingungen erfüllt sind, müssen die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, insbesondere das Alter des Kindes und seine Wünsche, denn je älter ein Kind wird, desto weniger ist es von seinem Bezugselternteil abhängig und an ihn gebunden, während seine Umgebung, die Aktivitäten, an denen es teilnimmt, und sein sozialer Kreis an Bedeutung gewinnen (5A_277/2021).

  • Im Falle alternierender Obhut geht man tendenziell eher davon aus, dass das Interesse eines sehr jungen Kindes (3 Jahre oder jünger) darin besteht, bei der Mutter zu sein, sofern beide Elternteile über gleichwertige Erziehungsfähigkeiten verfügen (Kriterium der Stabilität des Kindes BGE 142 III 481). Ist das Kind älter, wird das Kindeswohl anhand der Erziehungsfähigkeit jedes Elternteils, der tatsächlichen Möglichkeit, sich um das Kind zu kümmern, des familiären und wirtschaftlichen Umfelds, der Sprache, des Schulbesuchs, der gesundheitlichen Bedürfnisse, der Beziehungsstabilität und/oder der Fähigkeit, den Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil zu fördern, geprüft (5A_1013/2018; 5A_59/2017). Ab einem Alter von etwa 12 Jahren kommt dem Willen des Kindes eine besondere Bedeutung zu (5A_1013/2018).

Die Entscheidung, die die Rückgabe anordnet, kann geändert, ausgesetzt oder aufgehoben werden, wenn es wichtige neue Tatsachen gibt, die dies erfordern (5A_355/2023 E. 3.4).

Siehe auch den (kostenlosen) Artikel von Andreas Bucher: « La volonté de l’enfant enlevé » (2017), S. 61 ff.

Das System ist jedoch nach wie vor fehlerhaft, da ein Umzug des Kindes ohne die Zustimmung des anderen Elternteils nicht zu zivilrechtlichen Sanktionen führt (5A_47/2017). Dennoch ist Kindesentführung strafrechtlich verwerflich und die Rückgabe des Kindes kann angeordnet werden. Die Schweiz hat diesbezüglich zahlreiche internationale Übereinkommen abgeschlossen, insbesondere mit allen europäischen Ländern.

Wer ohne Zustimmung des anderen Elternteils beschliesst, den Wohnsitz des Kindes zu verlegen, begeht eine Kindesentführung im Sinne von Art. 220 StGB und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden.

Ganz zu schweigen von dem Trauma, das dem Kind zugefügt wird!

Aber es wird praktisch nichts getan werden können, wenn das Kind in ein Land gebracht wird, das solche internationalen Übereinkommen nicht unterzeichnet hat. In solchen Fällen wenden Sie sich an den Internationalen Sozialdienst Schweiz.

Einige Beispiele:

  • Der Umzug des Kindes wurde genehmigt:
    • Auf der Grundlage dringender vorsorglicher Massnahmen wurde der Mutter die Genehmigung erteilt, mit ihrem fünfjährigen Kind in die Niederlande umzuziehen. Sie hatte immer mehr Zeit als der Vater, um sich um das Kind zu kümmern, und ihr war gerade eine 100 %-Arbeitsstelle angeboten worden, wobei sie ihre Arbeitszeit anpassen konnte, und der Schulbesuch des Kindes in Holland in einer französischsprachigen Privatschule organisiert worden war (5A_916/2019).
    • Unverheiratetes Paar mit zwei Kindern im Alter von 7 und 8 Jahren, das eine alternierende Obhut praktiziert. Übertragung der Obhut auf die Mutter und Erlaubnis, dass die Mutter mit ihrem neuen Partner und den beiden Kindern nach Frankreich ziehen darf. Die Verfügbarkeit der Mutter war grösser als die Verfügbarkeit des Vaters, der erfolglos die alleinige Obhut beantragt hatte (5A_690/2020).
    • Erlaubnis wurde einer rumänischer Mutter erteilt — sie hat die alleinige Obhut der 5-jährigen Tochter, welche rumänisch und deutsch (Sprache des Vaters) spricht — nach Rumänien zu ziehen. Das Wohl des Kindes ist das grundlegende Prinzip, das bei der Genehmigung oder Ablehnung eines Wohnortwechsels zu beachten ist (5A_240/2022).
    • Erlaubnis für eine Mutter, mit ihren Kindern im Alter von 5 bis 7 Jahren nach Deutschland zu ziehen, wo die Grosseltern, Tanten, Onkel und Cousins der Kinder leben; dies umso mehr, als es hauptsächlich die Mutter war, die sich um die Kinder kümmerte (5A_815/2022).
    • Erlaubnis für die Mutter eines siebenjährigen Kindes, für das sie die Obhut hat, mit dem Kind nach Marokko zu ihrem Verlobten zu reisen (5A_888/2023).
    • Das Interesse des Kindes besteht nicht darin, in sein Kriegsland (hier die Ukraine) zurückgeschickt zu werden, daher Weigerung, die Rückgabe des Kindes anzuordnen (5A_841/2023).
  • Der Umzug des Kindes wurde abgelehnt:
    • Das Gericht anerkannte den prekären Status der Beschwerdeführerin in der Schweiz — sie war nicht erwerbstätig, bezog seit 2009 Sozialhilfe und verschuldete sich für zu Unrecht bezogene Leistungen — und verweigerte ihr die Genehmigung zum Umzug. Das Gericht stellte im Wesentlichen fest, dass die Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen hatte, dass sie einen konkreten Plan hatte, sich in Südkorea niederzulassen, einem Land, aus dem sie nicht stammte. Der Umzug lag somit nicht im Interesse ihres 14-jährigen Kindes. Angesichts des nachweislichen Willens der Mutter, das Kind vom Vater zu entfremden und die Ausübung persönlicher Beziehungen zu verhindern, musste ein Verbot ausgesprochen werden, mit der Minderjährigen die Schweiz zu verlassen, und die elterliche Sorge musste entsprechend eingeschränkt werden (5A_277/2021 E. 5.2).
    • Das Bundesgericht bestätigte eine bernische Entscheidung, den Umzug eines 7-jährigen Kindes nicht zuzulassen, damit es seiner Mutter folgen kann, die plant, nach Spanien umzuziehen, weil (1) die neue Beziehung, die die Mutter in Spanien zu ihrem Partner aufgebaut hat, noch nicht ausreichend stabil ist, (2) sie keinen eigenen und unabhängigen Wohnsitz haben wird, (3) sie kein Spanisch spricht und — vor allem — (4) es nicht im Interesse des Kindes ist, sie plötzlich in eine unbekannte Umgebung zu versetzen und sie in einer unbekannten Sprache zu unterrichten (BGE 142 III 498).
    • Ablehnung des Umzugs der Mutter nach Spanien mit ihren beiden Kindern (2 und 3 1/2 Jahre), für die sie die Obhut hatte. Auch das Sozialamt hat eine Empfehlung gegen den Umzug erlassen. Die Obhut muss an den Vater übertragen werden (5A_271/2019).
    • Eine Mutter zieht nach Deutschland und beantragt, dass ihr die Obhut für das gemeinsame 5-jährige Kind übertragen wird. Sie betont das Interesse des Kindes, weiterhin mit ihren beiden 12- und 13-jährigen Halbschwestern und Halbbrüdern zusammenzuleben. Das Gericht lehnt dies ab und überträgt dem Vater die Obhut für das gemeinsame Kind, da dies dem Wohl des Kindes entspreche (5A_637/2022).
    • Ablehnung der Anordnung der Rückführung von 7-jährigen Zwillingen nach Spanien, die illegal aus dem Land gebracht wurden und sich kürzlich in La Chaux-de-Fonds niedergelassen hatten; der Rat der Beiständin der Kinder wurde nicht befolgt (5A_197/2023). Zahlreiche Kritiken an dieser Entscheidung, z. B. der (kostenpflichtige) Kommentar von Rechtsanwältin Anne Reiser: «La Suisse deviendrait-elle une terre d’asile pour les parents ravisseurs ?»

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte die Schweiz in einem Fall, in dem die aufschiebende Wirkung des Rechtsvorschlags gegen einen Umzug nicht anerkannt wurde, was der Mutter den sofortigen Umzug nach Monaco ermöglichte und de facto das Recht des Vaters verletzte, sich zeitgemäss an ein Gericht wenden zu können. Somit konnte der Einspruch des Vaters gegen den Umzug nicht angehört werden (EGMR-Urteil Piazzi v. die Schweiz und Roth v. die Schweiz).


Nicht-gemeinsame elterliche Sorge

Wenn das elterliche Sorgerecht entgegen der Regel nicht gemeinsam ausgeübt wird, kann der Elternteil mit elterlicher Sorgerecht ohne Zustimmung des anderen den Wohnsitz mit dem Kind wechseln, muss aber den anderen Elternteil «rechtzeitig» informieren (Art. 301a Abs. 3 ZGB; 5A_281/2020), d. h. — im Prinzip — früh genug, damit der andere Elternteil versuchen kann, vom Gericht eine dringende vorsorgliche Massnahme zu erwirken, um das Projekt zumindest vorläufig zu blockieren.

Aber auch hier gilt, dass es praktisch keine Sanktion gibt, wenn der Elternteil dies ignoriert und den anderen Elternteil erst informiert, wenn der Umzug stattgefunden hat!

Schliesslich ist der Wohnsitz oder «gewöhnliche Aufenthalt des Kindes» auf internationaler Ebene von grosser Bedeutung, da — im Prinzip — nur das Gericht des «gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes» für die endgültige Entscheidung über alle das Kind betreffenden Fragen (elterliche Sorgerecht, Obhut, Besuchsrecht, Alimente) zuständig ist (5A_933/2020, zum Begriff «gewöhnlicher Aufenthalt» siehe 5A_427/2009), vorbehaltlich der Bestimmungen internationaler Verträge, die vorsehen, dass das Rückführungsrecht des Kindes grundsätzlich vor allen anderen Fragen geprüft werden muss. Wenn kein Antrag auf Rückgabe des Kindes gestellt wird und das Kind sich seit einem Jahr im Ausland aufhält, sind ausschliesslich die Gerichte am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes im Ausland für Entscheidungen in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten zuständig, und nicht schweizerische Gerichte (5A_591/2021).

Wenn ein Antrag auf Rückgabe gestellt wurde, bleibt das Gericht am früheren Wohnsitz des Kindes grundsätzlich zuständig, bis der Antrag auf Rückgabe endgültig entschieden wurde (5A_815/2022).

Wenn ein Elternteil während des Verfahrens rechtmässig den Wohnsitz / gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ändert, ist nur das Gericht am neuen Wohnsitz zuständig, um über alles zu entscheiden, was das Kind betrifft (5A_591/2021, der die Situation und die Zuständigkeiten vergleicht, je nachdem, ob der Wohnsitzwechsel rechtmässig oder unrechtmässig erfolgte).

 

Artikel aktualisiert am 26/11/2024